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Exodus

Exodus

Titel: Exodus
Autoren: DJ Stalingrad
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und zur Tat bereit. Um uns herum, am
Schwanz dieses linken Marsches – das ganze Pack, kleine
Grüppchen von Psychopaten jeder Couleur. Kosaken mit
selbstgebastelten Orden in Militärmäntelimitaten,
schmächtige orthodoxe Studenten rechtsradikaler
Schwarzhunderter, Gottesmutter-Bogoroditschniki-Sektierer in grellen,
durchgeknallten Kutten. Ein Teil der Leute mit Ikonen der Mutter
Gottes, ein Teil mit Ikonen Stalins. Kurz: Scheiße.
    Es
kommt Bewegung auf, wir gehen als Letzte. Die erste Reihe mit einem
Transparent, alle halten sich aneinander fest, weil sie so besoffen
sind, dass sie sonst umfallen würden. Vor uns – Pioniere,
Tulpen, die Warschawjanka , dahinter verderben wir den Parteileuten
den Feiertag. »Fick dem Bourgois ins Maul rein – Stalin,
Pol Pot sagen fein!« »Reformen enden auf den Schlag mit
Stalin, Berija und Gulag.« Die Pioniere, Komsomolzen und
Veteranen flippen aus, als sie so was hinter ihrem Rücken hören.
Sie flippen noch mehr aus, als ihnen auf dem Weg verfickte Böller
und Leuchtkugeln in den Rücken fliegen.
    »Hört
auf, Böller zu werfen!«, schreien uns wütende
Pioniere mit roten Halstüchern an.
    »Fangt
an, Granaten zu werfen!«, kontert Jura aus der ersten Reihe und
fällt auf seinen Nebenmann.
    Danach
kam es noch zu einer Prügelei mit den Komsomolzen, schon beim
Marx-Denkmal, als sich ein verrückter Opa in einem Auto mit
Boxen verbarrikadierte und versuchte, den Geist des Führers
aller Völker heraufzubeschwören, indem er irre
Stalin-Parolen skandierte. Seine fette Anlage erlaubte ihm, die Reden
der roten Bonzen auf der Tribüne zu übertönen, bis die
den Komsomolzen den Befehl gaben, den Provokateur zu entfernen. Wir
stürzten zur Verteidigung der Revolution, aber unsere Hilfe war
gar nicht nötig, die Rentner wehrten die Attacke selber ab –
alte Frauen bildeten einen dichten Ring um das Auto, ein Veteran
kletterte auf das Autodach und schlug von da oben mit der Stange
einer roten Fahne auf die Komsomolzen ein wie der Heilige Georg. Wir
alle liebten solche Momente.
    Sieben
Jahre später war wieder der Erste Mai, derselbe Ort, dieselbe
Zeit, aber diesmal hatten wir selbst ein Auto und eine noch fettere
Anlage. Aus den Boxen bläst verfickter Techno, die schwarze
Kolonne ist von einem Doppelring der OMON-Spezialeinheit
umringt. Durch sie hindurch zu unserem Laster drängt sich ein
verängstigter Deputat und sein Gefolge. »Ich weiß
nicht, wer ihr seid, aber um Himmels willen, macht doch nicht alles
kaputt, die nehmen uns doch alle fest und mich gleich mit. Bitte,
keinen Terror!« Ich lächle, drücke ihm seine
zitternden Hände und lege einen neuen Track auf: »Let’s
Start a Riot!«
    Ich
habe Fedja kennengelernt, als er dreiundzwanzig war, jetzt bin ich
selber dreiundzwanzig. Wir trafen uns zu zehnt, schnappten uns
Eisenstangen und fuhren zu einem Treffen in einer Militärsiedlung
im Moskauer Umland. In der Elektritschka wurde sofort Wodka
ausgeschenkt, als wir ankamen, waren schon alle dicht. Am Bahnsteig
holte uns ein tätowierter Typ mit Tunneln in den Ohren ab und
schlug vor, dass wir wie die alten Recken auf einem russischen Feld
in die Schlacht ziehen. Wir hatten genug Grips, Mischa vorzuschicken,
um das Feld zu checken, das sich auf einem abgesperrten Gelände
befand, hinter einer Betonmauer. Nach zwanzig Minuten kam er wieder
und erzählte aufgeregt, dass das hundertprozentig eine Falle ist
und man uns dort begraben wird – bei dem Feld treiben sich
Dutzende komischer Typen rum, die auf irgendwas warten. Von einem
echten Kampf der Recken konnte nicht die Rede sein, die ganze
Siedlung wimmelte von Leuten, die sich eingefunden hatten, um uns zu
verprügeln.
    Langsam
rollte die Elektritschka Richtung Moskau auf dem Bahnsteig ein. Ich
schaute Fedja an. »Fuck, sind wir etwa umsonst hergekommen?
Scheiß drauf!«, sagte er, und wir gingen ins Dorf, um
Gegner zu suchen. Wir mussten nicht lange suchen, sie krochen aus
allen Ritzen wie die Kakerlaken und bildeten einen rund
fünfzigköpfigen Haufen. Wir nahmen an einer Buskehre
zwischen einigen Verkaufsbuden Aufstellung, und eine Sekunde später
ging eine brüllende Lawine über unseren Köpfen nieder.
Die Eisenstangen kamen gleich zum Einsatz, Flaschen zischten herum,
ich wurde ganz schön eingepudert, schwere Stiefel spazierten
fein über meinen Kopf und über die Rippen. Für den
Gegner war der Zusammenstoß ebenfalls schmerzvoll, die ersten
Reihen traten mit zerschlagenen Köpfen den Rückzug an. Ich
machte die
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