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Exodus

Exodus

Titel: Exodus
Autoren: DJ Stalingrad
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mich
zu, knallrot, und schreit: ›Was soll denn der Scheiß, so
war das nicht abgemacht! Die Leute drücken mitten im Foyer.‹
Mann, war das geil ...«
    »Ja,
und hier kann es auch so werden ... wir leben uns in Piter ein und
legen dann los ... langweilen werden wir uns jedenfalls nicht.«
    »Nee,
mach was du willst, aber ich bin fertig. Für mich ist das alles
vorbei. Als sie Fedja umgelegt haben … in dem Moment fiel es
mir wie Schuppen von den Augen, vorher stand ich im Dunkeln und
plötzlich sah ich klar. Ich will nicht mehr, danke nein, es
reicht. Konzerte, Auswärtsspiele, Schlägereien, Zechereien,
Partys – Schluss, das bedeutet mir nichts mehr. Ich kann nicht
mehr.«
    ***

Durch
die schwarzen Fenster der Nacht, aus dem Dunkel der endlosen Moskauer
Winter kam Er zu mir. Er öffnete das Fenster, betrat mein
verängstigtes Kinderherz und sagte:
    »Siehe,
du bist verdammt. Alles wird sehr schlimm, dein Leben wird für
dich eine sinnlose, endlose Qual und für deine Mitmenschen eine
Bürde. Du wirst ertragen, dann wird man dich ertragen, es wird
niemals enden. So habe Ich dir geheißen.
    Aber
du kannst das ändern, knie vor Mir nieder, diene Mir, übergib
dich vollständig Meinem Willen, und Ich mache dein Leben zu dem,
was Ich will. Es wird darin viel Schreckliches, Dummes, Krasses,
Scheußliches geben ... Nichts wird dir gehören, Ich gebe
dir, was Ich will, nur das. Als Besitzloser wirst du dich
durchbetteln und klauen. Ich werde dich mehr und mehr ausnutzen, du
wirst zur Lieblingsfigur in Meinem Spiel, doch irgendwann werde Ich
dich austauschen, zerquetschen und in den Müll werfen. So wird
es, vertrau Mir.«
    Und
ich blieb bei Ihm, Er trat als Bedrohung und Angst für immer in
mein Herz, ich kniete vor Ihm nieder und ließ Ihn ein. Jahre
später kam ich zu dem Schluss, dass Er der Herrgott ist. Mir
bleibt nur, auch jetzt auf Ihn zu hoffen ...
    Sagt
mir warum? Warum? Insgeheim weiß ich genau warum.
    Der
Typ ist nicht schlecht gekleidet, bescheiden, geschmackvoll.
Ordentliche Frisur, entschlossene Gesichtszüge, wirkt
athletisch, treibt Sport, zuversichtlicher Blick aus braunen Augen.
Er ist keine dieser modischen Schwuchteln, er ist ein ernsthafter,
guter Kerl – ein starker, mutiger, okayer Typ. Er handelt
überlegt, liebt aber die Leidenschaft, den Moment und den
Übermut des Spiels. Seine Nase hat einen kleinen Höcker,
sie war mal nach einer Schlägerei gebrochen – der Junge
kennt den Geschmack von Blut auf den Lippen nicht nur vom Hörensagen.
Er ist immer bereit, für sich und seine Nächsten
einzustehen, hat viele Freunde, unter denen er berechtigtes Ansehen
genießt. Viele Freundinnen, die ihn dafür lieben, dass er
gefährlich, risikofreudig, ja männlich wirkt, was den Jungs
aus der Stadt einfach abgeht. Er amüsiert sich, spielt
leidenschaftlich, gibt gerne Geld aus, findet leicht aus schwierigen
Situationen raus – er ist noch jung, hat aber schon ordentlich
was erlebt. Und er ist rechtschaffen, ein guter Kerl. Er hat die
richtige Vorstellung davon, wie man das Leben richtig lebt. Nicht nur
schön, übermütig, mit lustigen Mädels und wilden
Freunden, sondern auch bedacht, so, dass er sich nicht seiner sinnlos
vertanen Jugendjahre schämen muss. Wissen braucht man und
Einsicht. Sein Land muss man lieben, Vater und Mutter ehren,
Prinzipien vertreten, Alkoholmissbrauch vermeiden, ein gutes Mädchen
finden, eine Familie gründen, Kinder erziehen. Alles tun, wie es
sich gehört, schön ein schönes Leben führen, ohne
Unterlass.
    Tja,
dieser Kerl steht abends vor einem Laden, und ich trete von hinten an
ihn ran. In einem ollen Pulli, dreckigen Turnschuhen, mit einer
schlampig rasierten Glatze, pubertärem Bartflaum, das Gesicht
voller Pickel, verfaulte Zähne. Und innerhalb einer Sekunde
verwandelt sich dieser super Typ in ein Stück Scheiße. Ein
Eisenrohr macht aus seinem Kopf blutiges Hackfleisch. Zähne,
Hautfetzen, Blut fliegen in alle Richtungen. Ich bin ein
Fünferkandidat aus der letzten Reihe, meine Klassenkameraden
verachten mich, ich saufe und wichse. Ich habe eine eingefallene
Brust, einen rachitischen Bauch, ich neige zu Asthma, habe ein
schwaches Herz, hatte nie eine normale Arbeit, hatte nie einen Vater,
hatte nie eine Freundin. Innerhalb einer Sekunde räche ich mich
an diesem Wichser für all die Jahre, für mein ganzes Leben,
für all die Idioten wie mich, für die Krüppel, die
Kranken, für die Kinder des Angestelltenproletariats, für
alle Dummen, Infantilen, für die
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