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Exit

Exit

Titel: Exit
Autoren: Jonathan Kellerman
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die Pillen und Fläschchen herumlagen? Und auch Nadeln, viele Nadeln. Sie spritzte sich selbst. Oder mußten Sie das für sie machen? J.: Sie war es! Sie hat sich selbst und mich gestochen! Sie hat mir weh getan! Sie gab mir Vitamin-B-12-Schüsse, zweimal am Tag, Proteine und Antihistamine, obwohl ich überhaupt nicht allergisch war! Mein Hintern war ihr verdammtes Nadelkissen! Antibiotika beim ersten Husten. Tetanusspritzen beim kleinsten Kratzer. Lebertran und Rizinusöl beim kleinsten Furz, und wenn ich es auskotzte, mußte ich es aufwischen und bekam die doppelte Dosis. Sie konnte sich immer Medikamente beschaffen, weil sie Krankenschwester gewesen war - so hat sie ihn getroffen, im Armeehospital. Er war in Anzio verwundet worden, der große Held. Für ihn war sie da, doch zu mir war sie wie eine sadistische Hexe… Sie können sich nicht vorstellen, wie es war! S.: Anscheinend hat Sie niemand vor ihr geschützt. J.: Niemand! Es war die Hölle. Jeden Tag gab es eine neue Überraschung. Deshalb hasse ich Überraschungen, ich verabscheue sie.
    S.: Sie haben lieber alles geplant, nicht wahr? J.: Organisation. Ich mag Organisation. S.: Ihr Vater hat Sie im Stich gelassen? J.: (lacht) Das hat er immer getan. S.: Also gehen Sie Ihren eigenen Weg. J.: Not macht erfinderisch.
    S.: Lassen Sie uns für einen Augenblick zu Ihrer Mutter zurückkehren - wie sie starb: Valium-Überdosis, Plastiktüte über dem Kopf. Wahrscheinlich werden wir nie nachweisen können, daß es kein Selbstmord war. J.: Das können Sie nicht, weil es einer war. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen. S.: Aha …ja … Sie wollen mir also erzählen, daß Sie das Opfer sind, und alles ein großes Mißverständnis ist. J.: (Unverständlich.) S.: Bitte?
    J.: Der Kontext, Inspektor, der Kontext.
    S.: Die andere Linse. J.: Genau.
    S.: Sie haben über den Krippentod nachgelesen, weil Sie Chads Tod verstehen wollten, nicht wahr?
    J.: Richtig.
    S.: Und Sie haben über Stellvertreter-Münchhausen nachgeforscht, weil Sie versuchten, Cassies Erkrankungen zu verstehen?
    J.: Ja, das hab ich. Alle Experten schienen ratlos zu sein angesichts von Cassies Symptomen.
    S.: Denise Herbert sagte, Sie hätten einmal Medizin studiert.
    J.: Sehr kurz nur. Ich verlor das Interesse. S.: Warum?
    J.: Es war mir zu konkret, es gab keinen Raum für Phantasie. Ärzte sind nichts anderes als eine Art Klempner. S.: Sie trugen also alles zusammen, was es zum Thema Münchhausen gibt.
    J.: (lacht) Was soll ich sagen? Es war eine Erleuchtung, glauben Sie mir. Nicht, daß ich mir vorstellen konnte, daß Cindy ihr so etwas antat - am Anfang jedenfalls nicht. Vielleicht war ich zu schwerfällig, aber meine eigene Kindheit .
    .. die Erinnerung tat einfach zu weh. Wahrscheinlich wollte ich es verdrängen. Aber dann, als ich darüber las… S.: Was? Warum schütteln Sie den Kopf? J.: Es ist so schwer, darüber zu sprechen… so grausam … Sie glauben, Sie kennen jemanden, und dann … Aber es paßte alles zusammen, alles wurde plötzlich klar. Cindys Vergangenheit, ihr Gesundheitsfimmel. Die Methoden, die sie benutzt haben muß … abscheulich. S.: Welche Methoden?
    J.: Mit dem Kissen ersticken, um Atemstillstand zu simulieren, zum Beispiel. Es war immer Cindy, die aufstand, wenn Cassie weinte. Sie rief mich nur, wenn es ganz schlimm war. Und dann diese furchtbaren Magenprobleme und Fieber. Einmal entdeckte ich etwas Braunes in Cassies Babyflasche. Cindy sagte, es sei organischer Apfelsaft, und ich glaubte ihr. Heute weiß ich, daß es sich um Fäkalien gehandelt haben muß. Sie vergiftete Cassie mit ihren eigenen Ausscheidungen, damit sie eine Infektion bekam - eine Selbstinfektion. In den Bluttests würden keine Fremdkörper gefunden werden. Ekelhaft, nicht wahr?
    S.: Das ist es, Professor. Was halten Sie von den epileptischen Anfällen?
    J.: Offenbar niedriger Blutzuckerspiegel. Eine Überdosis Insulin. Cindy war mit Insulin vertraut, wegen ihrer Tante. Ich hätte sofort darauf kommen müssen - sie sprach ununterbrochen über die Zuckerkrankheit ihrer Tante und wollte Cassie keine Süßigkeiten geben, doch ich wollte es wohl einfach nicht sehen. Aber die Beweise - ich meine, irgendwann kann man sie einfach nicht mehr verleugnen. Sicher, Cindy hatte - hat - ihre Fehler, und ich war wütend auf sie wegen ihrer Eskapaden, aber daß sie das eigene Kind … S.: Es ist nicht Ihr gemeinsames Kind. J.: Und wenn schon, kein Kind möchte man so leiden sehen. S.: Sie gingen also in die
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