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Exil im Kosmos: Roman (German Edition)

Exil im Kosmos: Roman (German Edition)

Titel: Exil im Kosmos: Roman (German Edition)
Autoren: Robert Silverberg
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umgesteuert und zurückgeschickt worden, aber er konnte navigieren. Ein hoffnungsvolles Zeichen? War er unter Überwachung, und konnte der Fremde ihn von einer feindlichen Waffe unterscheiden? Oder wurde er ignoriert?
    Bei einer Entfernung von einigen hundert Kilometern passte er die Umlaufgeschwindigkeit seines Schiffes der des fremden Satelliten an. Er kletterte in seine Landekapsel, löste sie vom Schiff und glitt hinaus in Dunkelheit.

Kapitel 52
     
    Nun ergriff der Fremde ihn. Es gab keinen Zweifel. Die Landekapsel war für einen energiesparenden Kurs programmiert, der sie zu gegebener Zeit in die Nachbarschaft des Fremden bringen würde, aber Müller merkte bald, dass er von diesem Kurs abwich. Abweichungen sind niemals zufällig. Seine Kapsel beschleunigte über das Programm hinaus, was nur bedeuten konnte, dass sie von einer äußeren Kraft erfasst und angezogen wurde. Er fand sich damit ab und verzichtete auf Gegenmanöver, die wahrscheinlich vergeblich gewesen wären. Er war eiskalt und ruhig, auf alles vorbereitet und nichts erwartend. Die Landekapsel hielt direkt auf den Satelliten zu, der immer näher und immer größer ins Blickfeld schwamm.
    Eine Luke öffnete sich.
    Seine Landekapsel trieb hinein.
    In einem riesigen, hallenartigen Raum kam sie zur Ruhe. Müller überprüfte die Funktionen seines Anzugs und stieg aus. Er aktivierte die Elektromagneten in seinen Stiefelsohlen, denn die Schwerkraft war hier in der Station so gering, dass er den Zug seines Körpergewichts kaum fühlte. In der Schwärze sah er nur ein schwaches, rötliches Glühen. Vor einem Hintergrund völliger Stille hörte er ein dröhnendes, widerhallendes Geräusch wie ein enorm verstärktes Seufzen, das sich allmählich zwischen den Streben und Trennwänden des Satelliten verlor. Trotz künstlich hergestellter Schwerkraft fühlte er sich schwindlig; der Boden unter ihm schlingerte. Durch seine Vorstellung ging ein Eindruck wie vom Pulsieren des Meeres; mächtige Wellen brandeten an felsige Küsten; ungeheure Wassermassen verschoben und durchdrangen sich unter der hohen Dünung des Ozeans, und die Welt erschauerte. Müller verspürte ein Frösteln, gegen das der Thermostat in seinem heizbaren Anzug machtlos war. Eine unwiderstehliche Kraft zog ihn. Zögernd bewegte er sich, gab ihr nach, erleichtert und erstaunt, dass seine Glieder noch immer seinen Befehlen gehorchten, obwohl er nicht mehr allein Herr über sich war. Das Bewusstsein von etwas ungeheuer Großem in seiner Nähe, etwas Seufzendem und Pulsierendem, begleitete ihn.
    Er wanderte durch eine nachtschwarze Straße. Er kam an ein niedriges Geländer – eine stumpfrote Linie in der tiefen Dunkelheit – und drückte sein Bein dagegen, so dass er beim Weitergehen in Berührung damit blieb. Einmal strauchelte er, und als sein Ellbogen gegen das Geländer schlug, hörte er den Klang von Metall durch die riesige, in Finsternis verborgene Struktur hallen und sich in verschwommenen Echos verlieren. Er ging durch Korridore und Luken, durch Räume und über Laufbrücken, die dunkle Abgründe überspannten. Er bewegte sich in blindem Vertrauen, überließ sich der anziehenden Kraft, fürchtete nichts. Er konnte fast nichts sehen. Er hatte keine Vorstellung von der Gesamtstruktur des Satelliten. Er hatte keine Ahnung, welchem Zweck diese inneren Abteilungen und Gänge dienten.
    Von der verborgenen, riesenhaften Gegenwart kamen stumme Wellen, ein immer intensiver werdender Druck. Er zitterte im Zugriff der fremden Macht, die seinen mechanisch reagierenden Körper vorwärtszog. Er kam auf eine Art Galerie, und in einem dünnen blauen Lichtschimmer konnte er in schwindelnde Tiefen hinabsehen. Er stand am Rand eines Behälters, der die Ausmaße eines großen Gasometers haben musste, und tief unter seiner Galerie war etwas Riesenhaftes, matt schimmernd, doch nicht einmal in seinen Konturen deutlich auszumachen.
    »Hier bin ich«, sagte er. »Richard Müller. Mensch.«
    Er umfasste das Geländer, das in Brusthöhe um die Galerie lief, spähte hinunter und erwartete etwas. Regte sich der kolossale Leib des fremden Intelligenzwesens? Rief es ihn in einer Sprache, die er verstand? Gab es Geräusche von sich? Er hörte nichts. Aber er fühlte um so mehr: allmählich, doch mit zunehmender Gewissheit wurde er sich eines geistigen Kontakts bewusst, eines Vermischens, eines Verschlingens.
    Er glaubte, seine Seele verdampfe durch seine Poren. Sein Verstand, sein Bewusstsein, sein denkender,
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