Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ewige Schreie

Ewige Schreie

Titel: Ewige Schreie
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
bestimme den Ort!«
    »Und wo ist der?«
    »Am Galgenbaum!«
    Wußte ich, wo sich der Galgenbaum befand? Da fiel mir ein, was man mir erzählt hatte. An der Nordseite des Friedhofs, wo sich zwei Wege im Schlagschatten der alten Kirche kreuzten, da hatte man Davies gehängt. Demnach mußte sich auch dort der Galgenbaum befinden. Ich wollte meinen Gegner nicht enttäuschen und gab ihm meine Zustimmung. »Ja, warte auf mich am Galgenbaum.«
    »Das werde ich auch…« Seine Stimme verhallte, während ich den Weg durch die Büsche suchte, um wieder auf den überwucherten breiten Pfad zu gelangen.
    Diesmal hatte ich schon Routine mit der Quälerei. Ich kämpfte mich schneller durch das Buschwerk und stand schließlich wieder auf dem Hauptweg.
    Noch ein Stück mußte ich ihn hochgehen. Ich dachte an Helen, den Pfarrer und den Verletzten. Hoffentlich war es endgültig gelungen, den Geist des Gehängten von ihnen wegzulocken.
    Ich beeilte mich nicht, sondern schritt normal aus. Begleitet wurde ich von zahlreichen Schreien, die die Toten über den unheimlichen Friedhof verstreuten. Ich hatte das Gefühl, als wären sie verändert, nicht mehr so monoton, manche viel schriller, andere wiederum wehleidig. Auf jeden Fall war es ein höllisches Konzert, das die übrigen Geräusche schluckte.
    Hin und wieder glühte mein Kreuz für den Bruchteil einer Sekunde auf. Ein Zeichen, daß mich etwas Böses, Unsichtbares begleitete und auch dabeibleiben wollte.
    Das störte mich nicht weiter.
    Vielmehr wurde meine Aufmerksamkeit von den Trümmerresten einer alten Kirche angezogen, die rechts von mir lagen. Das meiste war zwar im Laufe der Jahre überwuchert worden, an einigen Stellen jedoch schauten die Reste der Mauern wie große Bauklötze hervor.
    Da war also die Kirche, dann mußte auch der Baum in der Nähe sein. Über meinem Kopf spannte sich ein glatter Himmel. Zahlreiche Sterne funkelten, sie waren ebenso Beobachter wie der schwache, blasse Mond, der aufgehende Tendenz zeigte.
    Noch ein paar Tage, dann hatte er seine größte Fülle. Ich blieb stehen, als ich den Baum sah. Er war wirklich gewaltig. Ein starkes Astwerk und die mächtige Krone mit dem so dicht wachsenden Laub, das keinen Blick hindurchließ.
    Und noch etwas sah ich.
    Es war ein makabrer Gegenstand, und er baumelte von einem besonders starken Ast herab. Eine Schlinge!
    ***
    »Die ist für dich gedacht, John Sinclair!« vernahm ich von überall her die Stimme des Gehängten. »Ich habe sie für den verwahrt, der mich töten wollte.«
    Daß sie alt war, konnte ich erkennen. Zudem spielte der Wind mit ihr, so daß sie leicht hin-und herschwang. Ein schauriges Stück aus der Vergangenheit, und ich wußte plötzlich, daß genau in dieser Schlinge auch Sam Davies gehangen hatte.
    »Dann versuch es einmal!« erwiderte ich laut.
    Meine Stimme war noch nicht verhallt, als sich die Schreie steigerten. Hatte ich sie bisher schon laut erlebt, so nahmen sie sicherlich nun die doppelte Phonzahl an und vereinigten sich zu einem Konzert, das in meinen Ohren schmerzte, das Trommelfell malträtierte und als unheimliches Brausen in mein Hirn stach.
    Es war das Konzert der Hölle.
    Meine Gegner zogen sämtliche Register, um mich gefügig zu machen. Und sie waren auf dem besten Wege dazu, denn die Schreie der Toten waren so grell, markerschütternd und schrill, daß mein Kopf zu platzen drohte.
    Ich hatte die Hände gegen die Ohren gepreßt. Es half nichts. Es wurde zum Inferno!
    Die Schreie, das Heulen und Kreischen trieben mich fast an den Rand des Wahnsinns. Ich konnte einfach nicht ruhig stehenbleiben, schwankte von einer Seite zur anderen, schnappte gierig nach Luft und hatte dabei das Gefühl, flüssiges Blei zu tanken.
    Die Schreie hörten nicht auf. Sie malträtierten mich weiter, so daß ich mich nur auf sie konzentrieren konnte und meine Umgebung außer acht ließ. Das hatte mein Gegner gewollt.
    Plötzlich erschien Sam Davies. Er trat majestätisch hinter dem Stamm des Galgenbaums hervor, und ich war so damit beschäftigt, die Schreie zu ignorieren, was ich letzten Endes doch nicht schaffte, daß ich ihn kaum wahrnahm.
    Ich sah zwar die zerlumpte unheimliche Gestalt und auch die schwarze untere Gesichtshälfte, aber ich konnte mich nicht so auf ihn konzentrieren, wie ich es gern gehabt hätte und wie es für einen Sieg über ihn auch nötig gewesen wäre.
    Langsam kam er näher.
    Dabei genoß er jeden Schritt und auch meine Qualen, die kein Ende nehmen wollten. Die mörderischen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher