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Ewig Böse

Ewig Böse

Titel: Ewig Böse
Autoren: Christopher Ransom
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schwankte hin und her, den Blick unverwandt auf mich geheftet.
    Kreischend lud der Trucker durch und schoss noch zwei Mal in schneller Folge.
    Annettes Hals riss in einem dickflüssigen Sprühregen auf, und ihr Kopf flog nach hinten, während ihr Rücken sich durchbog wie ein Flitzebogen. Dann sackte sie nach vorne und schlug mit dem Gesicht auf die Straße. Der Trucker senkte den Lauf und feuerte noch einmal in ihren zuckenden Körper. Weitere Schrotkugeln prasselten mir in Rippen und Schädel. Ich rollte mich zusammen und legte die Arme schützend über den Kopf, schrie ihn an, aufzuhören.
    »Lassen Sie die Waffe fallen!«, rief der Streifenbeamte irgendwo links von mir. »Lassen Sie die Waffe fallen! Hinlegen! Sofort!«
    Aber der Trucker war wie im Rausch. Die Flinte brüllte abermals, und der Beamte erwiderte das Feuer über unsere Köpfe hinweg, bis drei reglose Menschen auf der Straße lagen.
    Eine halbe Stunde später setzte ein langer, orangefarbener Rettungshubschrauber auf der Straße auf. Zu dem Zeitpunkt brannten bereits rote Magnesiumfackeln, Absperrgitter waren aufgestellt worden und Ambulanzen und weitere Streifenwagen eingetroffen. Die Wüste sah aus wie ein Stadion am Ende eines Ghost-Konzerts.
    »Atmet sie noch?«, fragte ich immer wieder.
    Der Sanitäter, der sie in den Hubschrauber lud, sagte: »Herzstillstand.«
    »Sie ist schwanger«, teilte ich ihm mit. »Sie sagte, dass sie schwanger ist.«
    Der Sanitäter kletterte in den Helikopter und sah mir nach, während sie mich im Rollstuhl zu dem wartenden Krankenwagen mit Polizeieskorte schoben. Er war ein blonder Mann mit einem dichten Haarschopf, schmal und jung. Doch seine Augen waren sehr alt, glänzend schwarz und unsagbar müde. Er verzog keine Miene, während er mich einen Moment lang musterte und dann auf das blutige Bündel vor sich heruntersah. Ich wartete, ob er etwas tun, eine fachliche Meinung abgeben würde, aber er schwieg.
    Der orangefarbene Hubschrauber hob in einem Wirbel von Straßenstaub und Sand ab und blies mich weg. Ich sah der Maschine nach, wie sie in den schwarzen Himmel stieg, bis mein Engel, der Engel, der zu meinem Dämon geworden war, endlich vom glitzernden Firmament verschluckt wurde.

nachspiel
    Dies ist unser Zuhause. Hier leben wir. Hier gehören die Toten hin.
    Wäre ich nach Tulsa zurückgekehrt, hätte ich diese Chronik der Erosion meiner geistigen Gesundheit – und ihrer anschließenden Wiederherstellung – nie geschrieben. Ich fing nach meiner Entlassung aus dem Krankenhaus damit an und brauchte sieben Monate dazu. Am Ende speicherte ich die Datei auf meinem E-Mail-Konto und fertigte einen einzigen Ausdruck an – den ich in dem Lagerraum mit Staceys Sachen drüben in La Brea deponierte, hinter einem neuen Schloss mit digitalem Code und zwei Schlüsseln. Dann schrieb ich zwei Jahre lang kein Wort mehr, und das aus gutem Grund, denn was mich seither beschäftigt hat, ist wesentlich wichtiger als Schreiben.
    Drei Wochen, nachdem ich meine Geschichte zu Ende erzählt hatte, wurde Eddie geboren.
    Es hat zugegebenermaßen seine Vorteile, alleinerziehender Vater zu sein. Frauen, die mich bei Ralph’s oder in The Coffee Bean früher keines Blickes gewürdigt hätten, konnten plötzlich nicht genug von uns kriegen. Aber wir waren nicht auf dem Markt, daher lächelten wir und spielten mit, aber wenn wir heimkamen, warfen wir die Telefonnummern weg und machten weiter mit unserem Leben.
    Die ersten paar Monate waren hart gewesen, mit Rückenoperation und Physiotherapie und fürchterlichen Kopfschmerzen, die mich auch heute noch viele Stunden am Stück peinigen. Dazu kamen Vaterschaftstests und der ganze restliche Kram, der mein ganzes erstes Jahr auffraß. Es brach mir das Herz, dass Eddie die ersten paar Wochen allein durchstehen musste, und dann dehnten diese sich zu Monaten aus, in denen er Mündel des Staates blieb. Aber meine Freunde bei der Polizei und die Anwälte, die mein Ex-Arbeitgeber mir zur Verfügung stellte, halfen, die Dinge voranzutreiben.
    In der ersten Nacht, als ich Edward Michael Hastings nach Hause brachte, nahm ich ihn mit nach oben in den Ballsaal, den ich zu seinem Spielzimmer umgebaut hatte, und wir machten es uns auf dem großen, purpurfarbenen Quadrat eines Zottelteppichs gemütlich, den ich auf die Marmorfliesen gelegt hatte. In einem blauen Knautschsack mit Eddie auf meiner Brust, ein Fläschchen Babynahrung in der Armbeuge, erzählte ich ihm die Geschichte von Hans und der Bohnenranke
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