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Ewig Böse

Ewig Böse

Titel: Ewig Böse
Autoren: Christopher Ransom
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durch. Eine Brise wehte durch die Führerkabine und trug die Aromen von Schweiß, Enchilada-Sauce und irgendeinem Desinfektionsmittel mit sich. Sie roch nach Tod.
    Das dunkle Bullauge zwischen den Sitzen – der Durchstieg, der zur Schlafpritsche führte – war ein von aufgeplatztem roten Vinyl umgebenes Rechteck, eng, aber breit genug, um hindurchzukriechen.
    Ein schwarzer Schlund.
    Sie war da drin. Ich konnte sie in der Dunkelheit spüren.
    Ich sah mich selbst ein letztes Mal zurückweichen, die Straße in beide Richtungen absuchen. Ich hörte mich bis drei zählen, sah mich vorwärtstänzeln und den Laster hochklettern. Sah meine Füße das Trittbrett erreichen, die verchromte Stufe, sah meine Hand die Haltestange hinter der Tür ergreifen, und dann war ich im Führerhaus, vom eigenen Schwung fast über den Fahrersitz hinweggetragen, während ich nach dem Telefon griff und ein Schrei explodierte …
    Ich sah es alles vor mir – und meine Füße rührten sich keinen Zentimeter.
    Ich hatte nie zuvor in eine derartige Finsternis geblickt. Ich hätte genauso gut in einen kilometertiefen Sarg starren können. Hineinzuklettern war Selbstmord. Ich trat einen Schritt zurück.
    Wenn er nicht schon tot ist, wird sie ihn umbringen und anschließend mich. Sie hat ihren eigenen Bruder ausgelöscht, eliminiert wie ein Unkraut im Garten. Wenn das Ding da drin jemals Stacey gewesen ist, jetzt nicht mehr. Es gibt keine Namen dafür, wozu es geworden ist.
    Halt sie auf. Du musst sie aufhalten.
    Ich ging rasch, mein Schritt war sicher, ich kletterte hinauf, hielt mich mit einer Hand am Lenkrad fest, griff nach dem Telefon. Fummelte es aus der Halterung. Mein Fuß rutschte ab, aber ich fing mich wieder, beugte mich über den Sitz. Der Wind fühlte sich heiß an in meinem Nacken, so heiß wie mein Atem, aber ich dachte nur an das Handy. Mein Daumen fand die 9, und nichts passierte, kein Geräusch drang aus der Schlafkabine. Vielleicht waren sie bereits ausgestiegen. Vielleicht hatte sie ihn in die Wüste gejagt …
    Ich drückte die erste 1.
    Ein kräftiger Männerarm schoss aus dem Loch und schien zu winken, dann krümmten die Finger sich um die Sitzlehne, klammerten sich daran fest. Der Trucker gab keinen Laut von sich, sein Arm war weiß wie eine Made.
    Ich fuhr instinktiv zurück, und einen Moment lang stand ich beinahe aufrecht da, während ich mit den Armen wild herumfuchtelnd das Gleichgewicht zu halten versuchte. Das Telefon rutschte mir aus der Hand.
    »Hilfe«, wisperte seine Stimme kraftlos. »O Gott, helfen Sie mir …«
    Seine Worte wurden abgeschnitten, sein Arm zog sich zurück, und dann schrie er.
    Ich kippte nach hinten, bekam aber gerade noch den Türgriff zu fassen, so dass ich herumschwang und mit den Füßen voran auf der Straße landete. Ich taumelte zurück, und das Blut gefror mir vor Abscheu in den Adern, als Grunzlaute und dumpfe Schläge aus dem schwarzen Loch drangen. Ein schwerer Körper wurde gegen die Wand gewuchtet. Ich wich weiter zurück, ohne den Blick von der offenen Tür zu lassen, und blieb irgendwo mit dem Absatz hängen. Ich landete auf dem Hintern und knallte mit dem rechten Ellbogen gegen den Asphalt. Meine Furcht stürzte wie eine Mauer über mir zusammen, und ich begann am ganzen Körper zu flattern.
    Ich hörte einen Schrei, und obwohl er eindeutig feminin klang, wusste ich, dass er nicht von ihr stammte. Das Blech an der Seite der Führerkabine bog sich, beulte sich aus, und dann brachen die Schreie ab und zurück blieb nur ein monotones Geräusch, rhythmisch und regelmäßig, als wenn ein Kind den Basketball von der Turnhallentür zurückspringen lässt. Der Rhythmus wurde langsamer, dann blieb das dumpfe Geräusch fast eine halbe Minute lang ganz aus und endete mit einem letzten, widerwärtigen Donnerschlag.
    Danach Stille.
    Ich stemmte mich hoch und versuchte, aufzustehen.
    Sie wirbelte aus der Finsternis heraus, kletterte flink wie eine Katze an der aufschwingenden Tür herab, ließ sich zu Boden fallen und kam mit blutverschmierten Händen auf mich zu. Auch ihr Gesicht und ihre Stirn waren blutbespritzt, sogar das Haar. Ihr Hemd war zerrissen, und einer ihrer Schuhe – so ein Zwischending aus Turnschuh und Wanderstiefel, was mir vorher nicht aufgefallen war – fehlte. Sie marschierte stumm und gemächlich auf mich zu. Sie war nicht einmal außer Atem.
    Einen Meter vor mir blieb sie hoch aufgerichtet stehen. Eine zwanzig, fünfundzwanzig Zentimeter lange Schnittwunde
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