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Ewig Böse

Ewig Böse

Titel: Ewig Böse
Autoren: Christopher Ransom
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Ghost meinen ständigen Anblick wohl satt. Das ist verständlich. Ich hatte es auch satt, ihn zu sehen. Niemand will von seinem Doppelgänger beschattet durchs Leben gehen. Und in gewisser Weise tat ich genau das. Ich sah einer größeren, draufgängerischeren, talentierteren Version meiner selbst zu, einem Selbst, das ich nie sein würde. Nicht, dass ich je die große Klappe dafür gehabt oder überhaupt ein Rapper hätte sein wollen. Aber ein Jemand, ein Superstar? Wer möchte das nicht mal einen Tag lang ausprobieren?
    Möglicherweise eine Ironie: In dem Jahr, das seit meiner Kündigung vergangen ist, hat Ghost mal wieder einen seiner In-Luft-auflösen-Tricks abgezogen. Rückzug, Entzug, in Bulgarien untergetaucht. Keiner weiß es. Oder vielleicht weiß jemand Bescheid, und ich hab mich nur nicht gekümmert. Was wäre dabei, wenn er das Trikot mit seiner Nummer drauf an den Nagel gehängt hätte? Es wird vielleicht nie wieder einen Rapper geben, egal welcher Hautfarbe, der ihm das Wasser reichen kann. Er hat neue Maßstäbe gesetzt. Sein Werk steht. Er wird unvergessen bleiben …
    Und ich hoffe, das Arschloch mit seiner Drecksfresse ist tot. Ich bete, dass er nicht friedlich gestorben ist. Wenn der Sensenmann ihn in Form seiner unzähligen Pillen geholt hat, dann hoffe ich, sie haben ihm tagelang die Innereien zerfressen, so dass er eine Schleimspur aus Blut auf dem Boden gezogen hat, als er seinen letzten Schrei tat. Sollte der schwarze Vorhang in Form eines eifersüchtigen Konkurrenten oder eines wütenden Schallplattenproduzenten gefallen sein, dann hoffe ich, sein Mörder hat ihm die Augen mit einem Kugelausstecher aus dem Kopf geschält, ihm die Glieder mit einer stumpfen Machete abgehackt, aus seinen Überresten und einem Spritzer Benzin einen Scheiterhaufen gebastelt und die Erde gesalzen, in der seine Asche begraben ist.
    Falls er nicht tot ist und zurückkommt, soll er von mir aus seine eigene Scheiß-Geschichte erzählen.
    Wir sind in der Nachspielzeit. Jetzt bin ich an der Reihe. Aber ich schreibe das nicht, um euer Mitleid zu gewinnen. Ich schreibe das nicht mal für euch, wer immer ihr sein mögt. Fakt ist: Wenn mir nicht irgendetwas Schreckliches und nicht Wiedergutzumachendes zustößt, wenn mich nicht etwas Schlimmeres als der Tod holt, wird dieses langsam wachsende Dokument nie das Licht der Welt erblicken.
    Ich zeichne es aus demselben Grund auf, aus dem er all diese wild wummernden und süchtig machenden düsteren Songs geschrieben hat. Ich weiß nicht, ob es möglich ist, aber ich muss es versuchen. Ich kann so nicht weiterleben. Ich kann nicht leben mit den schwarzen Löchern in meiner Erinnerung, diesem Gegenteil von Raum, wo Dämonen lauern und mich in wache Alpträume hineinstoßen.
    Ich schreibe dies, weil ich mich erinnern muss. Ich muss mich an Stacey erinnern.
    Und jetzt werde ich euch die Geschichte von einem Geist erzählen.

disc 1
    DER EHEMANN

1
    Zunächst einmal: Meine Frau hat mich nicht wirklich verlassen.
    Stacey arbeitete damals im Gartenzentrum in Marina, in der Morgenschicht. Sie jobbte nur etwa fünfzehn Stunden die Woche, gerade genug, um mich nicht um Geld für die Blumen, die kleinen Vogelbäder und Kristallkugeln bitten zu müssen, die sie für unseren Garten hinter dem Haus sammelte. Ihre Interessen waren obsessiv und unterlagen abrupten Schwankungen, entsprechend wechselte sie den Arbeitsplatz. Während der letzten neun Monate hatte sie sich in die Gartenarbeit gestürzt wie ein Frontsoldat. Ganz Bizeps, mit schweißnasser Oberlippe, in Armeeshorts, mit Kevlar-Knieschützern und einem Paisley-Kopftuch warf sie sich in die Schlacht, ein gezahntes japanisches Hori-Hori-Pflanzmesser an den Oberschenkel geschnallt. Anstelle eines Lohnschecks brachte sie Flora im Wert von Hunderten von Dollar nach Hause. Sie verlor sich in ihrer Arbeit und kam manchmal mit angetrockneter Erde an den Beinen zurück, tagealtem Schmutz unter den Fingernägeln, was ich irgendwie sexy fand, wie ich zugeben muss. Heißes Weib macht sich dreckig und so. Ich dachte, sie hätte den Job angenommen, um sich ein bisschen Unabhängigkeit zu bewahren, aber heute ist mir klar, dass sie rauskommen wollte, weg von mir.
    Von unserem Haus in West Adams nach Marina del Rey musste sie durch die Gasse hinter der 21st Street zur Arlington Avenue fahren, dann etwa zehn Kilometer nach Westen auf dem Washington Boulevard, anschließend runter auf die Lincoln, was um acht Uhr morgens eine gute Stunde dauern kann.
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