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Evolution

Evolution

Titel: Evolution
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Schädel und die winzigen Knochen splitterten, und
die Organe wurden zerquetscht.
    Purga, deren Welt in wenigen Sekunden zusammengebrochen war, zog
sich vom zerstörten Eingang und dem eingestürzten Dach in
den tiefsten Winkel des Baus zurück. Doch diese Klauenhand brach
wieder wie eine Maschine durchs Dach, brachte es zum Einsturz und
ließ immer mehr milchiges Kometenlicht herein.
    Purga verspürte den unwiderstehlichen Drang, sich in den
Schutz der Dunkelheit zu flüchten, einen neuen Bau und eine neue
Zuflucht zu suchen – sie wollte überall sein, nur nicht
hier. Außerdem hatte sie Hunger; für ein Geschöpf mit
einem so schnellen Stoffwechsel wie Purga war es schon lang her, seit
sie sich am Dotter der Eier von Verletzlichem Zahn gelabt hatte.
    Plötzlich verließen sie die Kräfte.
    Sie kauerte sich an der Rückwand des zerstörten Baus
zusammen und schlug die Pfoten vors Gesicht, als ob sie das Fell von
Milben befreien wollte. Von dem Moment an, als sie in diese Welt aus
großen Zähnen und Klauen geboren wurde, die ohne
Vorwarnung aus dem Himmel hernieder fuhren, hatte sie mit Instinkt
und Beweglichkeit ums Überleben gekämpft. Doch nun waren
ihre Jungen tot. Die angeborenen Imperative lösten sich auf, und
etwas wie Verzweiflung ergriff von ihr Besitz.
    Und während Purga in der Ruine ihres Baus zitterte, zitterte
eine ganze Welt mit ihr.
    Wenn sie aufgab, würde sie keine lebenden Nachkommen
zurücklassen: Der molekulare Fluss der Vererbung würde hier
für immer versiegen. Natürlich würden andere ihrer Art
sich fortpflanzen, und andere Linien würden wachsen und sich in
die weit entfernte Zukunft hinein entwickeln – aber nicht Purgas
Linie, nicht ihre Gene.
    Auch nicht Joan Useb.
    Das waren die Wechselfälle des Lebens.
    Die große Klauenhand fuhr erneut herab und verfehlte Purga
nur um ein paar Zentimeter. Dann rammte Verletzlicher Zahn
ungestüm den Kopf in den Bau. Purga schrak vor einer Wand
schnappender Zähne zurück.
    Als der Dinosaurier kreischend näher kam, roch Purga Fleisch
und zerschmetterte Knochen und einen süßlichen Duft nach
Milch. Der heiße Atem des Ungeheuers roch nach Purgas
Babys.
    Wutentbrannt stürzte Purga sich auf den Gegner.
    Die Zähne schnappten wie ein riesiges Schneidwerk um Purga.
Purga wich den blitzenden Hauern flink aus und grub ihrerseits die
Zähne in den Mundwinkel des Dinosauriers. Die schuppige Haut war
zäh, aber sie spürte, dass die unteren Schneidezähne
sich ins warme, weiche Fleisch in der Mundhöhle der Kreatur
senkten.
    Verletzlicher Zahn bellte und wich zurück. Purga wurde an den
eigenen Zähnen aus dem Bau gezerrt und um ein Vielfaches ihrer
Körperhöhe in die Luft gehoben, am schuppigen Leib von
Verletzlichem Zahn vorbei in die kalte Nacht.
    Ihre Wut verrauchte. Sie drehte den Kopf, wobei sie dem
Dinosaurier ein Stück Fleisch herausriss, und fiel durch die
diesige Luft. Im Fall holte eine Klauenhand nach ihr aus und
versuchte sie zu packen. Weil Purga aber ein Geschöpf des Waldes
war, drehte sie sich im freien Fall. Wieder hatte sie Glück,
aber die Klaue verfehlte sie diesmal nur so knapp, dass der Luftzug
den Haarflaum an ihrem Bauch streifte.
    Sie fiel auf festgestampften Erdboden und blieb für einen
Moment benommen liegen. Doch die Zähne und Klauen stießen
schon wieder herab, vom unheimlichen Kometenlicht silbern gezeichnet.
Purga rollte sich herum, kam auf die Beine und rannte zwischen die
Wurzeln des nächsten Baums. Mit großen Augen und offenem
Mund kauerte sie sich keuchend zusammen und zuckte bei jedem
raschelnden Blatt zusammen.
    Purga hatte ein Stück Fleisch im Mund. Sie wusste nicht mehr,
dass es vom Dinosaurier stammte. Sie kaute es schnell, schluckte es
hinunter und linderte für einen Moment den Hunger, der selbst
jetzt in ihr rumorte. Dann ließ sie den Blick schweifen und
suchte ein sichereres Versteck.
    Verletzlicher Zahn stakste umher und schrie die Frustration
heraus.
    Purga hatte sich fürs Leben entschieden. Aber sie hatte sich
auch einen Feind geschaffen.

 
II
     
     
    Der Teufelsschweif war so alt wie die Sonne. Das Sonnensystem war
aus einer dichten rotierenden Wolke aus Gestein und Staub entstanden.
Die von der Druckwelle einer Supernova verwirbelte Wolke verdichtete
sich schnell zu Planetesimalen: lose Zusammenschlüsse von
Gestein und Eis, die wie blinde Fische chaotisch durch die Dunkelheit
drifteten.
    Die Planetesimalen stießen zusammen. Dabei wurden die
meisten zerstört und ihre Substanz wieder der
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