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Evolution

Evolution

Titel: Evolution
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spät merkte sie, dass sie
das Nest eines Troodons geplündert hatte: eines geschmeidigen
schnellen Killers – und eines auf Säugetiere
spezialisierten Jägers.
     
    Troodon bedeutete ›Verletzlicher Zahn‹.
    Verletzlicher Zahn war von der Größe eines Hundes und
gehörte damit zu den kleinen Dinosauriern, aber er war
intelligent und leichtfüßig. Sein Gehirn war so groß
wie das der Laufvögel späterer Zeitalter, mit denen er
bereits eine gewisse Ähnlichkeit hatte. Die Augen hatten die
gleiche Größe und gute Nachtsichtfähigkeit wie die
Purgas und waren außerdem nach vorn gerichtet. Das
ermöglichte dem Troodon das räumliche Sehen und versetzte
es in die Lage, seine kleinen, flinken Ziele schnell aufzufassen. Es
hatte Beine, mit denen es wie ein Känguru zu hüpfen
vermochte, eine lange sichelartige Klaue am zweiten Zeh jedes
Fußes und Hände wie Spaten, die eigens dafür
ausgelegt waren, Säugetiere auszugraben und zu
zerstückeln.
    Das Geschöpf steckte in einem Kleid aus kleinen Federn, einer
Weiterentwicklung der Schuppen. Die Federn waren jedoch nicht zum
Fliegen gedacht, sondern um den Körper in den kühlen
Nächten warm zu halten. In dem milden Klima, das zu jenen Zeiten
auf der Erde herrschte, war kein warmblütiger
Stoffwechsel-Apparat erforderlich, um die Körperwärme zu
halten: Ab einer gewissen Größe speicherte der
kaltblütige Körper die Wärme auch in der Nacht, selbst
wenn man an den Polen lebte. Kleine Dinosaurier wie das Troodon
brauchten jedoch eine zusätzliche Isolation.
    Trotz der geringen Körpergröße hatte es eins der
größten Gehirne aller Dinosaurier. Alles in allem war es
ein gut ausgestatteter Jäger. Dennoch hatte es
Schwierigkeiten.
    Das Troodon wusste es zwar nicht, aber diese Schwierigkeiten
wurden durch die Verbreiterung des Atlantiks verursacht, des
großen geologischen Ereignisses, das die Periode der Kreidezeit
prägte. Während der amerikanische Doppel-Kontinent nach
Westen gedrückt wurde, war Nordamerikas großes Binnenmeer
geschrumpft und schließlich trocken gefallen, und in der
Nähe der Westküste – nur wenige hundert Kilometer von
der Brutstätte des Troodons entfernt – war eine Kette neuer
Vulkane wie eine offene Wunde ausgebrochen. Der Vulkanismus
beeinträchtigte das komplexe Geflecht des Lebens in vielerlei
Hinsicht. Die jungen Vulkane waren fast ununterbrochen aktiv und
stießen schwefligen Rauch und Asche aus, die sich mit dem Regen
in Säure verwandelten. Viele Pflanzenarten waren bereits
verschwunden, und die Bäume in den höheren Lagen waren auf
kahle Stämme reduziert worden. Andernorts war die
Zerstörung augenfälliger und reichte als große Finger
aus erstarrter Lava tief in den Wald hinein.
    Die Säugetiere, die Nahrung des Troodons, standen noch am
Anfang der Nahrungskette und waren deshalb weniger
beeinträchtigt als die größeren Arten der
räuberischen Dinosaurier. Überhaupt vermochten die
Säugetiere mit den kleinen Körpern und der hohen
Fortpflanzungsrate solchen ungünstigen Zeiten besser zu
widerstehen als die großen Landtiere.
    Außerdem jagten die Troodons im Rudel. Dieses Weibchen war
vor ein paar Tagen von ihrer Herde abgeschnitten worden, als
plötzlich ein Geysir ausgebrochen war. Obwohl sie nun allein
war, trug Verletzlicher Zahn noch Eier von der letzten Befruchtung im
Leib. Deshalb war sie zur uralten Brutstätte der Herde gekommen.
Irgendwie hatte sie gehofft, andere ihrer Art hier zu finden. Aber es
war niemand hier außer ihr.
    Verletzlicher Zahn wurde älter – mit fünfzig waren
viele ihrer stark strapazierten Gelenke schon arthritisch und
schmerzten. Und wegen des Alters und der schwindenden Kraft und
Schnelligkeit war sie selbst bedroht: Es war eine Ära so starker
Räuber, dass es geboten war, Geschöpfe, die sogar
größer waren als Elefanten, mit einem Panzer aus
Knochenplatten auszustatten. Sie musste sich fortpflanzen; das sagte
ihr der Instinkt.
    Also hatte sie die Eier abgelegt, wie sie es schon immer getan
hatte. Das Nest war eine kreisrunde, im Lehm ausgehobene Grube, und
sie hatte die Eier mit einer eigentümlichen, fast chirurgischen
Präzision arrangiert. Sie achtete darauf, dass die zwanzig Eier
nicht zu nah beieinander lagen und dass die Spitzen zur Mitte wiesen,
damit die schlüpfenden Babys sich möglichst leicht
auszugraben vermochten. Dann hatte sie die Eier mit Erde und Moos
bedeckt. Sie war dann ein paar Mal zum Nest zurückgekehrt und
hatte mit den Klauen gegen die Eierschalen getippt,
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