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Evers, Horst

Evers, Horst

Titel: Evers, Horst
Autoren: Fuer Eile habe ich keine Zeit
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Edinbööööörööh, und der hat sogar
Vollkornbrot. Nachdem wir es gekauft und probiert haben, beschließen wir dann
doch, den Rest der Woche Toastbrot zweimal zu toasten. Ernährungstechnisch
gesehen, ist die schottische Küche eine einzige Katastrophe. Und das sieht man
den Schotten leider auch ein bisschen an. Einigen, nicht so wenigen, sieht man
es sogar ziemlich stark an. Und genau aus diesem Grund ist Schottland so
großartig. Denn zum aller-, allerersten Mal in meinem Leben war ich im Frühling
in einer Stadt, in der ich zur schlankeren, schon auch irgendwie gesünderen, ja
sogar attraktiveren Hälfte der Bevölkerung zählte. Mehr noch, man kann
vielleicht sogar sagen: oberes Drittel. Phantastisch, so fühlt sich das also
an. Das war wirklich interessant. Ein echter Urlaub von sich selbst, quasi. Und
das auch noch, ohne sich zu verändern. Das ist mal eine richtig intelligente
Diät. Man selbst muss keinen sinnlosen Sport treiben und auch nicht hungern,
sondern die anderen werden einfach gefüttert. Es ist eben alles relativ.
    Das ist
Lebensqualität, so gesehen ist Schottland ein richtiges Wohlfühlland. Ein
richtig guter Reisetipp für den Frühling. Und geflirtet wird da in Schottland,
meine Herren, auch mit mir wird da geflirtet, aber hallo, also wenn man da
jetzt nicht mit der Familie unterwegs wäre, na ja, kann man nichts machen. Was
da möglich war. Aber frag nicht nach Sonnenschein, wobei, nach Sonnenschein
fragt man vielleicht besser sowieso nicht in Schottland. Vom Wetter her ist es
doch eher windig, aber was da flirttechnisch möglich wäre, man mag nicht drüber
nachdenken. Auf dem Rückflug sagt die Freundin beiläufig, sie möchte nächsten
Frühling nochmal nach Schottland, aber dann allein oder mit einer Freundin. Ich
denke, da sagste jetzt mal nichts zu. Gar nichts wirst du sagen. Du wirst
einfach mit der Würde eines Schotten schweigen. Und wie ich noch so denke, dass
ich jetzt einfach mal überhaupt nichts sagen werde, da höre ich mich auch schon
wieder reden: «Na, dann nehmt euch aber lieber ordentlich Vollkornbrot mit!»
Immerhin, ich hätte auch noch viel dämlichere Sätze sagen können. So ein
bisschen schottischer göörrrntlemöörrn ist vielleicht doch hängengeblieben.
     
    Kinderträume
     
    Seit ein
paar Wochen hat sich im Hort, also da, wo die Kinder nach der Schule den
Nachmittag verbringen, etwas verändert. Es sind die Jungs, die sich plötzlich
nicht mehr artgerecht verhalten. Statt ihren traditionellen Tätigkeiten und
Pflichten im Hort nachzugehen, also rumrennen, rumschreien, rumprügeln,
rumwerfen - sowohl sinnlos Sachen wie auch sich selbst - und dann schließlich
rumheulen, haben sie auf einmal das Rumsingen für sich entdeckt. Eine der
Erzieherinnen vermutete schon, Uri Geller oder einer seiner Nächsten habe
irgendwie eine Fern-Massenhypnose durchgeführt und nun Gewalt über die
Gesangsstimmen der Jungs, aber niemand hat auch nur die geringste Idee, warum
Uri Geller oder sein Padawan Derartiges tun sollte. Zumal die Jungs
ausschließlich Lieder von Peter Fox singen. Schon im Treppenhaus höre ich Timo
trällern. Ich muss leider lachen. Ich will Timo nicht verletzen, aber es hat
schon eine mächtige Komik, wenn neunjährige Jungs wie Timo die Zeilen singen:
«Komm äussern Club, war schön gewesen. Stinke nach Suff, bin kaputt, is 'n
schönes Leben.» Aische, eine Mutter, die ich auf der Treppe treffe, schüttelt
auch lachend den Kopf: «Ich verstehe es nicht, die Siebener-Reihe aus dem
kleinen Einmaleins können sie sich nicht merken, aber diese Texte haben sie
alle bis auf die letzte Silbe auswendig drauf.»
    Die
Peter-Fox-Zeile, die es den acht- bis zehnjährigen Jungs offensichtlich am
allermeisten angetan hat, ist aus «Haus am See» und wird oben auf dem Flur
gerade wieder von Murat gesungen: «... isch hab zwanzig Kinder, meine Frau ist
schön.» Diese Vorstellung scheint die Jungs völlig zu begeistern. Da sind sie
in ihren Traumwelten dann wohl doch eher konservativ-spießig. Manchmal, wenn
sie es, wie jetzt schon wieder Sergej, in Richtung der Mädchen singen, klingt
es fast wie eine Drohung: «... isch hab zwanzig Kinder, meine Frau ist schön.»
    Die
Mädchen verdrehen die Augen und wenden sich gelangweilt ab. Nur Malina schaut
Sergej herausfordernd an: «Dafür hat deine Frau dann aber einen hässlichen
Mann.» Sergej rennt weg.
    «Ach»,
sagt Aische, «noch können sie die Jungs so einfach vertreiben.» Ich weiß nicht
genau, was sie damit meint,
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