Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Evernight Bd.1 Evernight

Evernight Bd.1 Evernight

Titel: Evernight Bd.1 Evernight
Autoren: Claudia Gray
Vom Netzwerk:
ich wollte mich ihm in die Arme werfen und ihn wenigstens ein einziges Mal noch festhalten. Aber wenn ich das täte, würde ich ihn nie wieder loslassen, das wusste ich. Um unser beider willen musste ich stark bleiben.
    »Ich liebe dich«, sagte ich, und dann drehte ich mich um und rannte zu meinen Eltern.
    Die Hand meines Vaters schloss sich um meinen Arm, als er und meine Mutter mich nach draußen zogen. Die Tür schwang hinter uns zu.
    »Bianca!« Mum umarmte mich fest, und ich merkte, dass sie weinte. Ihr ganzer Körper bebte bei jedem Schluchzen. »Mein Baby, mein Baby, wir haben geglaubt, dass wir dich nie wiedersehen würden.«
    »Es tut mir leid.« Ich erwiderte die Umarmung, während ich nach einer Hand meines Vaters griff. Über die Schulter hinweg konnte ich sein verschwollenes Gesicht mit dem blauen Auge sehen. Anstatt Zorn oder Verletztheit las ich nur Erleichterung in seinem Blick. »Ich liebe euch beide so sehr.«
    »Schatz, alles in Ordnung mit dir?«, fragte Dad.
    »Mir geht es gut, versprochen. Lasst sie nur gehen. Tut es für mich. Lasst sie gehen.«
    Meine Eltern nickten beide, und wenn Balthazar widersprechen wollte, dann tat er das nicht laut. Wir alle liefen zur Vorderseite des Versammlungshauses. Dicker Rauch stieg von der Decke auf und wirbelte in einer dunklen Säule in den Himmel empor. Eine Fahrerin in ihrem Auto auf der nahe gelegenen Straße brüllte bereits etwas in ihr Telefon. Bald würden die Feuerwehrwagen eintreffen.
    Als wir auf den Bürgersteig hinaustraten, wir drei immer noch eng zusammengedrängt, Balthazar dicht hinter uns, eilte Mrs. Bethany auf uns zu. Ihr langer schwarzer Rock flatterte hinter ihr her. »Was machen Sie denn da?«, fragte sie. »Bewachen Sie die Rückseite! Lassen Sie sie nicht heraus!«
    »Nein«, schrie ich. »Das können Sie nicht tun. Sie können sie nicht einfach töten!«
    »Das Gleiche hätten sie mit uns getan«, erwiderte Mrs. Bethany mit schneidender Stimme, und ihre Lippen verzogen sich zu einem unechten Lächeln.
    Mum holte tief Luft. »Nein. Lassen Sie sie gehen.« Dad warf ihr einen Blick zu, erhob aber keinen Einspruch; er hielt nur meine Hand umklammert.
    »Sie haben mich gehört.« Mrs. Bethany trat näher und fixierte mich mit ihren schwarzen Augen wie ein Falke, ehe er zu seiner Beute hinabstößt. »Stellen Sie meine Autorität in Frage? Ich bin die Schulleiterin von Evernight.«
    Es war Balthazar, der ihr eine Antwort gab, indem er sich wie beiläufig seine Armbrust auf die Schulter legte, sodass sie geradewegs auf Mrs. Bethany gerichtet war. Er bedrohte sie nicht direkt, aber es war sehr offensichtlich, dass er nicht zurückweichen würde. Als sie sich entsetzt vor ihm aufbauen wollte, sagte er gedehnt: »Schule ist aus.«
    Mrs. Bethany blickte finster, aber sie sagte nichts und machte auch keine weiteren Anstalten, nicht einmal, als wir den Tumult auf der hinteren Zufahrt hörten, der nur von den fliehenden Mitgliedern des Schwarzen Kreuzes herrühren konnte. Ich schloss fest die Augen und wünschte mir die Sirenen der Feuerwehrwagen herbei, damit ich nicht Lucas’ Schritte hören musste, als er für immer vor mir davonrannte.
     
    »Ihre Eltern sagten, Sie seien entführt worden.«
    Mrs. Bethany stand hinter dem Schreibtisch in ihrem Büro im Kutscherhaus von Evernight. Ich saß vor ihr auf einem ungemütlichen Holzstuhl. Meine Kleidung war rußverschmiert und zerknittert. Außerdem war ich bis auf die Knochen durchgefroren und erschöpft und verspürte einen Heißhunger auf Nahrung und Blut. Die letzten Sonnenstrahlen des Tages fielen orangefarben durch die Fensterscheibe und wurden von ihr gefiltert. Es waren noch keine vierundzwanzig Stunden vergangen, seitdem meine Welt auseinandergebrochen und die Wahrheit über Lucas ans Licht gekommen war. Es fühlte sich wie tausend Jahre an.
    »Das stimmt«, sagte ich mit hohler Stimme. »Lucas verlangte, dass ich mit ihm gehen solle.«
    Mrs. Bethany spielte an ihrem goldenen Anhänger herum. Immer wieder zog sie ihn an seiner Kette hin und her, sodass ich das schwache, metallische Klicken hören konnte. Im Gegensatz zu mir war Mrs. Bethany völlig gelassen und gefasst, und wie immer war der Spitzenbesatz am Kragen ihrer Bluse steif von der Wäschestärke. Aber sie roch nach Rauch, nicht nach Lavendel. »Erstaunlich, dass Sie sich nicht verteidigen konnten. Immerhin sind Sie ein Vampir.«
    Bin ich das? Nicht einmal dessen war ich mir noch sicher. Ich sagte nur: »Er ist ein Mitglied des
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher