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Everlight: Das Buch der Unsterblichen. Roman (German Edition)

Everlight: Das Buch der Unsterblichen. Roman (German Edition)

Titel: Everlight: Das Buch der Unsterblichen. Roman (German Edition)
Autoren: Avery Williams
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beiden Armen, sein Atem streift über mein Gesicht, als er Druck auf die Wunde ausübt. Das Blut strömt über seine weißen Finger und färbt sie tiefrot.
    Wie durch einen Schleier sehe ich, dass er seine Tunika aufreißt und die kleine Phiole hervorzieht. Nebel umgibt mich, als ich die Augen schließe.
    »Ich werde dich retten, Sera. Bleib bei mir!« Er lässt einen Tropfen der Flüssigkeit auf eine Fingerspitze fallen und hält sie mir an die Lippen.
    Als der Finger meine Zunge berührt, schreie ich vor Schmerz auf. »Was ist das für ein Gift?«, frage ich keuchend.
    »Es ist ein Elixier«, erklärt er hastig. »Mein Vater und ich haben es während des Schwarzen Todes entwickelt. Als er krank wurde, haben wir ihn damit gerettet. Den Körper, den du kennst – er wurde nicht damit geboren.«
    Ich fühle einen Ruck, als meine Kehle zu brennen beginnt. »Ich stehe in Flammen!«
    »Das ist die Silberschnur, die deine Seele an deinen Körper bindet«, sagt er eindringlich. »Dieser Trank durchtrennt sie. Bald wirst du frei sein.«
    Ich beginne, mich schwerelos zu fühlen, als ob ich in den Himmel aufsteigen, als ob ich mich zu den Planeten auf ihren freudigen Umlaufbahnen gesellen könnte.
    »Sera, bitte geh nicht!«
    Ich höre Cyrus’ Stimme, doch sie klingt irgendwie bedeutungslos. Ich will ihm erklären, wohin ich gehe: zu den Sternen. Er könnte mich begleiten.
    Als er die verlotterte Frau aufrichtet und vor mich hält, reiße ich mich von meinen Gedanken los. Er will, dass ich sie küsse. Was für eine lächerliche, empörende Vorstellung. Ist sie denn nicht tot? Bin ich nicht tot?
    Nein, erkenne ich langsam, als ich zur Erde zurückkehre. Sie ist am Leben, hat beim Sturz nur das Bewusstsein verloren. Ich weiß nicht, warum, doch ich gehorche Cyrus und küsse die Frau, bis ich etwas Süßes schmecke. Dann habe ich plötzlich das Gefühl, als ob die Welt explodiert. Donner ertönt, und es klingt, als feuerte eine ganze Schiffsflotte all ihre Kanonen gleichzeitig ab. Ich bewege mich, schwanke durch Raum und Zeit, und dann ist es auf einmal totenstill. Auf wundersame Weise ist der Schmerz in meinem Rücken verschwunden.
    »Sera, öffne die Augen«, befiehlt mir Cyrus.
    Unter großer Kraftanstrengung gehorche ich, doch ich begreife nicht, was ich da sehe: meinen Körper, wie er bleich und kalt auf den Steinen liegt, das Kleid blutdurchtränkt.
    Ich bin ein Geist, denke ich panisch. Es kann nur diese eine Erklärung geben. Bis auf die Tatsache, dass meine Finger meine Wange berühren, als ich sie an mein Gesicht hebe. Aber es ist gar nicht meine eigene Hand – sie ist schmutzig, mit abgesplitterten Nägeln. Irgendwie bin ich jetzt die dreckige Diebin.
    Ich rappele mich auf, plötzlich erstarkt. »Ich verstehe nicht.«
    Cyrus steht vor mir. »Sera, du bist am Leben. Wenn ich recht habe, wirst du nie sterben müssen.«
    »Aber mein Körper …«
    Er zögert einen Moment lang. Dann nimmt er ihn und wirft ihn in die Themse, wo er mit einem lauten Klatschen auf dem Wasser auftrifft. »Es ist der einzige, den du jemals zurücklassen wirst. Dein neuer Körper ist anders, nicht länger menschlich oder mit deiner Seele verbunden. Wenn er dir nicht mehr dienen kann, wird er zu Staub zerfallen.«
    Cyrus’ Worte umwehen mich, doch ich verstehe nicht, was er mir sagen will.
    In diesem Moment höre ich die panische Stimme meiner Mutter in der Stille der Straße.
    »Seraphina Ames! Sera, wo bist du?«
    Cyrus wird ungeduldig. Er packt meine Hand und zieht mich weg. »Seraphina, wir müssen gehen.«
    Da ich nicht weiß, was ich sonst tun sollte, laufe ich hinter ihm her.
    »Leb wohl«, flüstere ich meiner Mutter zu, aber sie kann mich natürlich nicht hören. Niemals wird sie ihre Tochter wiedersehen.

Kapitel 1
    San Francisco – Gegenwart
    D er Spätherbsttag ist ungewöhnlich heiß für San Francisco. Der Morgennebel hat sich gelichtet, und die Sonnenstrahlen bescheinen meine bleiche Haut, wärmen sie jedoch nicht. Im letzten Jahr bin ich kreidebleich geblieben, egal wie viel Zeit ich in der Sonne verbracht habe. Außerdem friere ich andauernd. So ist es immer, wenn der Tod naht. Ich habe diesem Körper die Hölle zugemutet.
    Ich zucke zusammen, als ich mich auf einer der Liegen zurücklehne, die um den Pool auf dem Dach meines Apartmentgebäudes aufgestellt sind. Der monströse Glasturm mit den getönten Fensterscheiben erhebt sich zwischen den Häusern im Künstlerviertel South of Market. Das Sonnenlicht reflektiert auf
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