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Everlasting

Everlasting

Titel: Everlasting
Autoren: Holly-Jane Rahlens
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keine leichte Aufgabe, da Sütterlin selbst für Paläographen, die Deutsch konnten, ungemein schwer zu entziffern war, besonders wenn ihr Schwerpunkt eher auf den späteren Schriftarten nach 1945 lag.
    Das
Buddenbrooks -Manuskript
war ein echtes Millennium-Mirakel gewesen, eine Auszeichnung für die Übersetzer, die sich damit beschäftigen durften. Vielleicht hatte Finn ja ebensolches Glück.
    Als Finn an der Treppe vorbeikam, die auf die untere Ebene des Hauses führte, sah er, dass das Licht in Rouges Zimmer aus war. Einen Moment lang spürte er wieder, wie erschöpft er war, aber Müdigkeit war kein Zustand, den Sriwanichpoom schätzte. Bisher hatte Finn höchstens ein oder zwei Worte mit dem Direktor gewechselt, da war es nicht ratsam, jetzt einen schlechten Eindruck zu machen. Er machte sich in der Küche einen Zing, um die Hirnzellen zu aktivieren, ging dann wieder ins Familienzimmer und stellte Verbindung zur Holo-Kamera her. Dann wartete er auf Doc-Docs Anruf.
     
    Dr.   Dr.   Rirkrit Sriwanichpoom war eine schillernde Persönlichkeit, im wahrsten Sinne des Wortes: Alles an ihm blendete den Betrachter. Sein gutes Aussehen, sein silberweißes Haar, das zu einem Pferdeschwanz gebunden war, sein blitzendes Elfenbeinlächeln, seine Augen, groß und schimmernd wie graue Tahitiperlen, seine brillante Intelligenz – ja selbst seine Schuhe glänzten. Seine Füße steckten in diesen neuen, durchsichtigen, glasähnlichen Halbstiefeln. Er trug sie bequem über glitzernden Silbersocken.
    Als Finn in das Büro des Direktors holoiert wurde, sprangen ihm die Stiefel prompt ins Auge, denn die Beine des Mannes lagen lässig gekreuzt auf dem Schreibtisch. «Mr.   Nordstrom!», sagte er und stand langsam auf. Er trat vor, und Finn gab seinem Vorgesetzten zur Begrüßung die Hand. Außer Luft gab es natürlich nichts zum Händeschütteln – ein Hologramm war ja nur ein Hologramm und nicht aus Fleisch und Blut   –, aber Finn und Doc-Doc taten der Höflichkeit halber dennoch so als ob.
    «Sir», sagte Finn. «Guten Morgen.»
    «Wie spät haben Sie’s denn da drüben?» Sriwanichpoom sprach einwandfreies Englisch mit dem unterkühlten nasalen Tonfall, für den die Bewohner der britischen Provinz bekannt waren, den aber Ausländer wie Doc-Doc selbst zur Perfektion gebracht hatten.
    «Es ist   … äh   … zwei Uhr morgens.»
    «Sie bleiben aber ganz schön lange auf, was?», bemerkte der Direktor mit einem leisen Lachen. «Bitte, nehmen Sie Platz.» Er zeigte auf einen durchsichtigen Hängetisch, um den vier Hocker herum gruppiert standen. Finn brauchte einen Moment, um sich in dem Thronsaal – so nannte man das geräumige Büro des Direktors – zu orientieren, ehe er Platz nahm. In Wirklichkeit setzte er sich natürlichauf einen Stuhl im Familienzimmer seines Elternhauses, aber solche Details waren unwichtig, wenn man sich in einer 3- D-Bildfläche traf.
    Der Direktor zog seine weiße Hose etwas höher, setzte sich und schlug die Beine übereinander. Sein Glasstiefel hing jetzt fast in Finns Gesicht. «Nun denn», fuhr er fort, «wir brauchen nicht lange. – Sie wissen doch sicher, wo das Köfferchen gefunden wurde?»
    «Ja», sagte Finn. «Im Bodden.»
    «Richtig. Bei Wustrow.»
    Ein Plinkblink erschien auf Finns B B-Raster –
plink!
    «Sie haben soeben zwei Dateien erhalten», sagte der Direktor. «Schauen Sie mal rein.»
    Die erste Datei war ein Bild, das von einem Boot aus aufgenommen worden sein musste. Finn sah fast nur Wasser und einen ziemlich öden Streifen Land, vermutlich die Küstenlinie des Boddens. Links standen ein paar Pappeln, und im Hintergrund ragten die Ruinen einer Ortschaft mit einem Kirchturm auf.
    «Da wurde das Köfferchen gefunden», sagte Doc-Doc.
    Die zweite Datei war das Bild eines schwarzen Koffers mit Griff, ähnlich den kleinen Hartschalenkoffern, die um die Jahrtausendwende so beliebt gewesen waren.
    «In diesem Koffer befand sich das Dokument», sagte der Bibliotheksdirektor.
    Die Plinkblinks verschwanden plötzlich von Finns BB.
    «Ach, Verzeihung», sagte Doc-Doc etwas gereizt. «Mir ist das auch gerade passiert. Muss ein Virus sein. Falls Sie die Bilder noch mal brauchen, sagen Sie einfach Bescheid. Also, wo waren wir? Ach ja, genau. Sie wissen, dass das Dokument auf Deutsch handgeschrieben wurde?»
    Finn nickte.
    «Leider gehört Deutsch nicht zu den Fachgebieten dieses Direktors, als da wären: Italienisch, Französisch, Russisch, die tote Sprache Niederländisch,
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