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Eve & Caleb - 01 - Wo das Licht war

Eve & Caleb - 01 - Wo das Licht war

Titel: Eve & Caleb - 01 - Wo das Licht war
Autoren: Anna Carey
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den Schlaf, doch er stellte sich nicht ein. Um drei war mir klar, dass ich nicht länger im Bett liegen bleiben konnte, also stand ich auf und ging zu dem Fenster, aus dem man das Schulgelände überblicken konnte. Bis auf eine einsame Wächterin, die ich an ihrem leichten Hinken erkannte und die das Gelände bei ihrem Routinekontrollgang absuchte, war niemand zu sehen.
    Unser Zimmer lag im ersten Stock. Als die Wächterin außer Sichtweite war, öffnete ich das Fenster, wie ich es immer in warmen Nächten machte, und setzte mich auf die Fensterbank. Jedes Jahr gab es an der Schule Notfallübungen: was bei einem Überfall zu tun war, was bei einem Erdbeben zu tun war, was zu tun war, wenn man einem Hunderudel gegenüberstand, was im Falle eines Feuers zu tun war. Ich rief mir die einfachen, abgenutzten Darstellungen ins Gedächtnis, die Schulleiterin Burns am Ende der Übung herumgereicht hatte, dann ließ ich mich von der Fensterbank herunterbaumeln und bereitete mich auf den Fall vor.
    Ich ließ los und schlug hart auf. Obwohl ein stechender Schmerz durch meinen Knöchel zuckte, rannte ich so schnell ich konnte zum See hinunter. Auf der anderen Seite des glitzernden Wassers zeichnete sich das Ziegelgebäude, in dem wir unsere Berufe lernen sollten, als schwarzes Rechteck gegen den dunkellila Himmel ab.
    Als ich so vor dem See stand und seine sanften Wellen meine Zehen umspülten, sank mein Mut. Wir hatten nie schwimmen gelernt. Die Lehrerinnen erzählten uns oft Geschichten aus den Zeiten vor der Epidemie und wie Menschen in den Ozeanwellen ertrunken oder von der trügerischen Ruhe ihrer selbst gebauten Schwimmbecken in die Irre geführt worden waren.
    Ich sah zum offenen Fenster des Wohnheims zurück. In einer Minute würde die Wächterin mit ihrer Taschenlampe um die Ecke biegen und mich nach Einbruch der Dunkelheit draußen erwischen. Sie hatte mich bereits nach Ardens Verschwinden im Gebüsch entdeckt, mein Kleid mit Erbrochenem befleckt. Ich hatte ihr erklärt, ich wäre nur nervös wegen der Abschlussfeier, aber ich durfte ihr auf keinen Fall weiteren Anlass geben, misstrauisch zu werden.
    Ich watete ins Wasser. Der schmale Uferstreifen war von Dornenbüschen gesäumt, die die Wasseroberfläche überwucherten. Ich umwickelte meine Hände mit meinen Socken, damit ich mich an den stacheligen Zweigen festhalten konnte. Langsam hangelte ich mich vorwärts, bis mir das Wasser schließlich bis zum Hals reichte. Nach einem Meter fiel der Grund plötzlich steil ab. Ich schluckte Wasser und klammerte mich fester an die Zweige, die Dornen bohrten sich durch die Socken in meine Haut und ich musste husten.
    Die Wächterin bog um die Ecke und blieb auf dem Rasen stehen. Der Strahl der Taschenlampe wanderte über das Gras und tanzte auf der Seeoberfläche. Ich hielt die Luft an, meine Lungen schmerzten. Schließlich richtete sich der helle weiße Lichtstrahl wieder auf den Rasen und sie verschwand auf die andere Seite des Schulgeländes.
    So ging es über eine Stunde. Ich kämpfte mich vorwärts, rührte mich nicht, wenn die Wächterin vorbeihinkte, und bemühte mich, kein Geräusch zu verursachen. Als ich schließlich die andere Seite erreichte, kletterte ich das matschige, schilfbewachsene Ufer hinauf. Die Socken um meine Handflächen waren voller Blut und das kalte, nasse Nachthemd klebte mir am Körper. Ich zog es aus und kauerte mich, während ich es auswrang, neben das riesige Gebäude.
    Bis auf die lange hölzerne Brücke, die für die Zeremonie am nächsten Tag im Schilf bereitlag, war diese Seite des Schulgeländes merkwürdig verlassen. Im Gegensatz zur Schule waren rings um das Ziegelgebäude keine Blumenbeete angelegt. Man hatte uns erklärt, dass die Absolventinnen zu beschäftigt waren, um das Gebäude zu verlassen, dass ihr Arbeitsplan noch rigoroser war als der an der Schule und dass die Zeit, die nicht mit Essen, Schlafen oder Unterricht verbracht wurde, der Vervollkommnung im Beruf diente. Andere Zwölftklässlerinnen tuschelten und machten sich Sorgen, von heute auf morgen kein Sonnenlicht mehr zu sehen, doch für mich hatte diese Form von Hingabe immer aufregend geklungen.
    Das Schilf war zwar mannshoch, bot aber nicht genug Deckung. Ich zog mir das feuchte Nachthemd wieder über und rannte um die Ecke des Gebäudes. Überraschenderweise hatte es doch Fenster, und zwar ungefähr anderthalb Meter über dem Boden, allerdings nicht auf der Seite, die wir von der Schule aus sahen.
    In mir regte sich
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