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Eve & Caleb - 01 - Wo das Licht war

Eve & Caleb - 01 - Wo das Licht war

Titel: Eve & Caleb - 01 - Wo das Licht war
Autoren: Anna Carey
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damit du malst?« Damit ließ sie mich endgültig los.
    Ich rieb mir den Hals. An der Stelle, wo die Kette durchgerissen war, brannte meine Haut. »Selbstverständlich«, erwiderte ich. »Was sollten wir denn sonst dort tun?«
    Arden stieß ein Lachen aus, als sie den Rucksack über die Schulter warf. Dann beugte sie sich zu mir. Ihr Atem roch würzig nach Wildschweinfleisch. »Achtundneunzig Prozent der Bevölkerung sind tot, Eve. Weg! Was glaubst du, wie es mit der Welt weitergeht? Sie brauchen keine Künstler«, flüsterte sie. »Sie brauchen Kinder. Die gesündesten Kinder, die sie auftreiben können … oder produzieren.«
    »Was redest du da?«, fragte ich. Arden richtete sich auf, dabei ließ sie den Jeep keine Sekunde aus den Augen. Eine Wächterin zog eine Plane über die Ladefläche und kletterte auf den Fahrersitz.
    »Warum, glaubst du, sind sie so besorgt um unsere Größe, unser Gewicht und was wir essen und trinken?« Arden klopfte den Staub von ihrem schwarzen Overall und sah mich ein letztes Mal an. Die dünne weiße Haut unter ihren Augen war aufgequollen, die blauen Venen schimmerten durch. »Ich hab sie gesehen – die Mädchen, die vor uns ihren Abschluss gemacht haben. Ich werde nicht in irgendeinem Krankenhausbett enden und für die nächsten zwanzig Jahre meines Lebens jedes Jahr ein Junges werfen.«
    Ich taumelte rückwärts, als hätte sie mir einen Schlag ins Gesicht verpasst. »Du lügst«, sagte ich. »Du irrst dich.«
    Doch Arden schüttelte bloß den Kopf und ging eilig auf den Jeep zu. Im Laufen zog sie eine schwarze Mütze übers Haar. Sie wartete, bis ihr die Torwächterinnen den Rücken zuwandten, erst dann lief sie weiter. »Ich will auch mit!« Mit diesen Worten sprang sie auf die hintere Stoßstange und zog sich auf die abgedeckte Ladefläche hoch.
    Der Wagen rumpelte die Schotterpiste hinunter und verschwand im dunklen Wald. Langsam schloss sich das Tor hinter ihm. Ich hörte die Schlösser einrasten und konnte nicht fassen, was ich gerade gesehen hatte: Arden hatte die Schule verlassen.
    Sie war geflohen.
    Sie war auf der anderen Seite der Mauer, in der Wildnis, wo nichts und niemand sie schützen würde.
    Ich glaubte kein Wort von dem, was sie gesagt hatte. Ich konnte einfach nicht. Vielleicht würde Arden in ein paar Stunden zurückkehren, im Jeep. Vielleicht war das ihr bisher verrücktester Streich. Doch als ich mich zu dem fensterlosen Gebäude auf der anderen Seite des Sees umdrehte, zitterten meine Hände unkontrollierbar und aus meinem Mund kamen die Waldbeeren als bitterer Schwall Erbrochenes. Als ich mich dort neben dem Mensagebäude auf der Erde krümmte, hatte ich nur einen einzigen Gedanken: Was, wenn Arden recht hatte?

ZWEI
    Nachdem wir unsere Haare gebürstet, unsere Zähne geputzt, unsere Gesichter gewaschen und die weißen Einheitsnachthemden übergestreift hatten, die uns bis zu den Knöcheln reichten, lag ich im Bett und tat, als wäre ich schläfrig. Im Wohnheim kursierten Gerüchte über Ardens Verschwinden. Mädchen steckten die Köpfe in jedes Zimmer und erzählten den neuesten Klatsch: dass eine Haarspange im Gebüsch gefunden worden war, dass die Schulleiterin eine Wächterin in der Nähe des Tors verhört hatte. All das bewirkte, dass ich mir das wünschte, was in der Schule am allerschwierigsten zu bekommen war, etwas, das so abwegig war, dass man nicht mal danach fragen konnte.
    Ich wollte allein sein.
    »Noelle glaubt, dass sich Arden auf der Krankenstation versteckt hält«, erklärte Ruby Pip. »Zieh eine Karte!« Die beiden saßen auf Pips schmalem Bett und spielten ein Spiel, das sie aus der Schulbibliothek geschmuggelt hatten. Die alten Findet Nemo -Karten waren verblasst und zerfleddert, einige klebten von angetrocknetem Feigensaft aneinander.
    »Ich wette, sie hatte bloß keine Lust auf die Zeremonie«, fügte Pip hinzu. Überall auf ihrem sommersprossigen Gesicht waren Zahnpastatupfer verteilt, die sie als »Pickelentferner-Wundermittel« bezeichnete. Immer wieder warf sie mir Blicke zu und wartete darauf, dass ich Vermutungen über Ardens Verbleib anstellen oder Kommentare über die Wachtrupps ablassen würde, die draußen mit Taschenlampen das Gelände absuchten. Aber ich sagte kein Wort.
    Ich dachte darüber nach, was Arden gesagt hatte. In den letzten Monaten war Schulleiterin Burns immer fanatischer um unsere Ernährung besorgt gewesen und hatte sichergestellt, dass wir ausreichend aßen. Sie erschien zu unseren wöchentlichen Bluttests
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