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Eva schläft - Melandri, F: Eva schläft - Eva dorme

Titel: Eva schläft - Melandri, F: Eva schläft - Eva dorme
Autoren: Francesca Melandri
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ertragen, dass Farben meinen Schlaf stören, der ohnehin schon viel zu selten kommt. Carlo hat sich auf die Seite gedreht, mich von hinten mit seinem ganzen Leib umfasst und an meinen Haaren geschnuppert.
    »Weißt du was?«, sagte er. »Du bist zu viel unterwegs.«
    Ich habe gelächelt. Wenn er damit anfängt, weiß ich wieder, wie viel ihm an uns liegt. Als das Telefon klingelte, umfasste er mich noch enger. Geh nicht ran, sagten seine Arme. Ich bin nicht rangegangen, und der Anrufbeantworter der Telecom ist angesprungen.
    »Risponde la segreteria telefonica …« , verkündete das Gerät auf Italienisch.
    Eine junge, aufgeregte Stimme mit starkem römischem Akzent war zu hören.
    »Jetzt, gleich geht sie ran, pass auf …«
    Doch ungerührt fuhr der Anrufbeantworter, nun auf Deutsch fort:
    »Hier spricht der Anrufbeantworter der Nummer null vier sieben vier …«
    »Was ist das denn? Deutsch?«, hörte man eine zweite Stimme, ein wenig heiser, zwischen hohen und tiefen Tönen schwan kend: vierzehn, fünfzehn Jahre, allerhöchstens. Wenn nicht noch jünger.
    »Mann, wie lange dauert das denn?«
    »… Hinterlassen Sie bitte eine Nachricht nach dem Signal.«
    Nun begannen die beiden Burschen zu feixen, und die erste Stimme brüllte in den Hörer:
    »Crucchi, crucchi …«
    »Actùn, cartoffen, capùt …!« , stimmte nun auch der andere ein, bevor er plötzlich abbrach, weil er vor Lachen nicht mehr konnte. Mein Rücken eng an Carlos Bauch, seine Arme um meine Brust geschlungen, lagen wir da und hörten reglos zu.
    »Haut doch ab nach Deutschland!«, rief der Erste noch mal, dann legten sie auf.
    »Immer noch!«, stöhnte ich. »Hört das denn nie auf?«
    Es gibt da eine Szene in den Fernsehserien, die sich meine Mutter täglich nach dem Mittagessen anschaut. Man sieht sie immer wieder. Da steht der verheiratete Mann vor dem Bett, in dem seine Geliebte halb nackt liegt, und bindet sich die Krawatte, gibt ihr einen Kuss auf die Stirn und verlässt das Zimmer, während sie auf dem zerknautschten Lager zurückbleibt und mit traurigem Blick auf die Tür starrt, die sich hinter ihm geschlossen hat. Häufig umklammert sie dabei ihre Beine und legt das Kinn auf die Knie, wobei das Leintuch aber immer sittsam ihre Blößen bedeckt. Kein einziges Mal in den elf Jahren ist es mir mit Carlo so ergangen. Auch wenn er in Eile ist, nimmt er sich, bevor er geht, immer die Zeit, vom Bett aufs Sofa überzuwechseln oder auch in die Küche oder auf den Balkon, an einen Ort also, der nicht jener unserer Lust ist, um auch mir Gelegenheit zu geben, mich anzukleiden oder mir zumindest einen Morgenmantel überzuwerfen. Um noch gemeinsam einen Kaffee zu trinken, ein wenig zu plaudern, miteinander zu lachen.
    Dieses Mal hat er mir beim Auspacken geholfen. Und die Kataloge der Ausstellungen, die ich in New York besuchte, haben wir auch noch gemeinsam durchgeschaut. Von Gerhard Richter im MoMA. Von einem jungen koreanischen Künstler in einer Galerie in Chelsea, der mit zweiundzwanzig seine Ge mälde bereits an die Milliardäre der East Side verkauft. Von einer Ausstellung zur Holzschnitzkunst des Volkes der Dogon. Afrikanische Statuen sehe ich häufig in den Häusern meiner Kunden, nicht selten restaurierte Schlösser im Familienbesitz mit geschickten Ergänzungen aus Glas und Stahl: Die reichen Südtiroler haben viel übrig für Ethnokunst, sie gibt ihnen das Gefühl, Weltbürger zu sein.
    Bevor er geht, sagt Carlo zu mir: »Wenn es dir recht ist, könnte ich nach Ostermontag noch mal drinnen kommen.«
    »Ja, das wäre schön«, antworte ich.
    Nein, keine Sorge: Wir haben nicht plötzlich beschlossen, gemeinsam ein Kind zu zeugen. Er hat nur gesagt, dass er von Bozen, wo er wohnt, nach den Feiertagen noch mal bei mir, in mein Tal, vorbeikommen wird. Wer in Alto Adige lebt, übernimmt, selbst wenn venetisch-kalabresisches Blut in seinen Adern fließt, viele Ausdrücke aus dem Südtiroler Dialekt in seine Sprache. Man kommt nach drinnen, inni , wenn man in die Täler fährt, die nach aussi , draußen, abfallen, der Ebene zu und hinaus in die weite Welt.
    Als ich im letzten Sommer zum Beispiel in Positano Urlaub machte, rief Carlo an und erzählte, dass seine Frau und seine Kinder auch in die Ferien gefahren seien und dass er Gelegenheit habe, von Bozen zu mir zu fliegen.
    »Ich komme heute Abend dann draußen«, sagte er und meinte damit nur, dass er mich besuchen würde und nicht etwa, dass er vorhabe, eine von der katholischen Kirche
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