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Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod

Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod

Titel: Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod
Autoren: Wolfgang Huber
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sollen nicht das ganze Panorama möglicher Familienkonstellationen wiedergeben, aber sie lassen die Vielfalt erkennen, in der Familie gelebt wird – und sie machen die Intensität persönlicher Beziehungen anschaulich, die sich in Familien entfaltet. Thomas Struth erklärt seine anhaltende Beschäftigung mit diesem Thema aus dem Wunsch, «mich selbst zu analysieren und zu verstehen, meine eigene Familie, den Platz der Familie innerhalb meiner westlichen Kultur». Entscheidend ist für ihn, darüber nachzudenken, «warum wir sind, wer wir sind» (Struth 2010: 194).
Der Mensch – ein Beziehungswesen
    Die intuitive Konzentration des Künstlers auf die Familie weist auf den elementaren Sachverhalt hin, dass der Mensch ein Beziehungswesen ist. Sein Leben vollzieht sich in der Beziehung zu sich selbst, zu anderen Menschen, zu der Welt, in der er lebt, und – soweit er sich als ein selbsttranszendentes Wesen begreift – zu Gott. Den Kern dieser Beziehungsnatur des Menschen hat Martin Walser in folgende Worte gefasst: «Das wichtigste Menschenverhältnis ist die Liebe, und die ist abhängig vom Glauben. Dass man geliebt wird, muss man glauben.» (Mangold 2011)
    Im Verständnis des Menschen als Beziehungswesen klingt somit ein grundlegendes religiöses Motiv an. Die biblischen Schöpfungserzählungenkennzeichnen den Menschen als das Gott entsprechende Wesen: Er wird von Gott als sein Ebenbild angesprochen und kann ihm antworten (1. Mose 1,26). Zugleich wird das Miteinander von Mann und Frau als menschliche Grundsituation beschrieben, denn der Mensch ist nicht dazu geschaffen, allein zu sein. Mann und Frau werden füreinander als Gegenüber und wechselseitige Hilfe geschaffen (1. Mose 2,18ff.). Diese gleichberechtigte Zusammengehörigkeit wird in der biblischen Schöpfungserzählung, wie in vielen Texten aus patriarchalisch geprägten Kulturen, mit Motiven verknüpft, die eine Dominanz des Mannes voraussetzen; sie gewinnt aber an Klarheit, wenn man ihre Intention mit der Überzeugung verbindet, dass Menschen einander gleichberechtigt zugeordnet sind und sich wechselseitig beistehen können.
Was ist «Familie» heute?
    Familienbilder zeigen eine Grundsituation des menschlichen Lebens. So einleuchtend dieser Eindruck auch zu sein scheint, hat er doch seine Selbstverständlichkeit weithin verloren. Das hat vor allem drei Gründe:
    1. Das relationale Bild vom Menschen konkurriert schon historisch und erst recht in unserer Gegenwart mit einem Menschenbild, das von der isolierten Einzelperson ausgeht. Das im 4. Jahrhundert v. Chr. von dem griechischen Philosophen Aristoteles formulierte Verständnis des Menschen als Gemeinschaftswesen (als «Lebewesen in der Polisgemeinschaft», griechisch
zoon politikon
) wird in der abendländischen Entwicklung überboten von der Auffassung vom Menschen als Vernunftwesen (als «Vernunft besitzendem Lebewesen», griechisch
zoon logon echon
). Bei Aristoteles ergänzen sich diese beiden Sichtweisen, doch in der Entwicklung des europäischen Menschenbildes treten sie immer stärker auseinander. Der Konflikt zwischen einer relationalen und einer auf die Einzelperson gerichteten Anthropologie setzt sich bis in die Gegenwart fort. Dabei waren die letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts durch die Vorherrschaft eines individualistischen Menschenbildes geprägt; deshalb galt es zumindest in der westlichen Welt eher als befremdlich, von den Beziehungen auszugehen, in denen Menschen leben.
    2. Tiefgreifende Veränderungen in der Gestaltung sexueller Beziehungen und in der sozialen Funktion der Familie haben Zweifel an der grundlegenden Bedeutung von Ehe und Familie geweckt. Die neuen Möglichkeiten von Geburtenkontrolle und Familienplanung führten zu einer sexuellen Revolution; die auf Dauer angelegte Ehe zwischen Mann und Frau verlor ihre bestimmende Bedeutung. Die Formen des Zusammenlebens wurden vielgestaltiger. Ehen werden häufiger geschieden; nichteheliche Lebensgemeinschaften treten neben sie; es entwickeln sich Patchwork-Familien. Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften wurden anerkannt. Die Zahl der Geburten ging in den entwickelten Ländern zurück; für Deutschland gilt das in besonders starkem Maß. Der wachsende Umfang der weiblichen Berufstätigkeit beeinflusst die Rollenmuster von Frauen und Männern sowie ihre Aufgabenverteilung in der Familie. Mediale Darstellungen schwanken zwischen einer Romantisierung der Liebe – auch in der Darstellung prominenter Hochzeitspaare – und der
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