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Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod

Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod

Titel: Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod
Autoren: Wolfgang Huber
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Jahrhunderts treten andere wichtige Komponenten neben die wirtschaftliche Bedeutung der Familie. Die Differenzierung der Gesellschaft führt zwar zu deren Funktionswandel, aber keineswegs zu einem Funktionsverlust. Die innerfamiliären Beziehungen gewinnen an emotionaler Dichte. Zudem ist der demographische Wandel zu bedenken: Die Dauer der Ehe verlängert sich trotz der häufiger werdenden Scheidungen; die Gleichberechtigung von Männern und Frauen hält Einzug; freiheitliche Erziehungsstile verändern das Verhältnis zwischen den Generationen. Bedenkt man solche Veränderungen, so muss man von einer erstaunlichen Wandlungsfähigkeit der Familie sprechen. Die Behauptung, die Familie sei ein Auslaufmodell, lässt sich in einer historischen Perspektive nicht halten. In Frage gestellt werden bestimmte Familienformen, nicht die Familie als solche.
    3. Schließlich reicht es für ein Verstehen der Familie nicht, nur Eltern oder Alleinerziehende mit ihren im selben Haushalt wohnenden heranwachsenden Kindern in den Blick zu nehmen. Eine derart einseitige Sichtweise täuscht. Sie bindet die Familie an die Nachkommenschaft und macht diejenigen familienlos, die keine Nachkommen haben. Jeder Mensch hat jedoch Vater und Mutter, auch dann, wenn er nur mit einem Elternteil oder sogar als Waise aufwächst. Die Herkunft des Menschen ist so wichtig, dass jeder einen Anspruch darauf hat, Vater und Mutter zu kennen. Dieser Anspruch gilt auch dann, wenn jemand mit Hilfe einer Samenspende gezeugt wurde; er ist zu bedenken, wenn die rechtliche Anerkennung der anonymen Geburt gefordert wird. Wer einem Menschen die Herkunft nimmt, raubt ihm einen Teil seiner Identität.
    Mit seiner Herkunftsfamilie bleibt auch der verbunden, der keine eigene Familie gründet. Familiäre Zusammengehörigkeit zeigt sich nicht nur dort, wo Menschen im selben Haushalt leben. Vielmehr können enge Bindungen auch dann aufrechterhalten werden, wenn die Glieder einer Familie an unterschiedlichen Orten wohnen. Im demographischen Wandel gewinnen die Beziehungen zwischen erwachsenen Familienmitgliedern an Bedeutung. Die Familie bleibt der wichtigste Raum für die Begegnung zwischen den Generationen und für deren wechselseitige Unterstützung.
    Aus diesen Beobachtungen ergeben sich drei Folgerungen. Zunächst bleibt festzuhalten, dass wir auch unter veränderten Bedingungen insbesondere an der Familie erkennen können, wer wir sind und warum wir sind, wer wir sind. Ferner ist der Funktionswandel der Familie keineswegs nur als Verlust- oder Verfallsgeschichte zu beschreiben, sondern er enthält auch neue, freiheitsadäquate Gestaltungsmöglichkeiten. Schließlich ist die Familie als Mehrgenerationengemeinschaft zu betrachten; sie lässt sich nicht auf das Verhältnis von Eltern zu ihren noch nicht volljährigen Kindern reduzieren.
Die ethische Bedeutung der Familie
    Die ethische Bedeutung der Familie erschließt sich von ihren grundlegenden Funktionen her. Diese Funktionen lassen sich als Glück, Versorgung, Sozialisation und Fürsorge beschreiben.
1. Glück
    Die Glücksforschung zeigt: Menschen, die in Familien leben, sind im Durchschnitt glücklicher als Menschen, die auf sich allein gestellt sind. Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass sie glücklicher sind, weil sie in einer Familie leben; es ist auch möglich, dass sie sich deshalb zu einer Partnerschaft und zur Gründung einer Familie entschließen, weil sie von sich aus zum Glücklichsein neigen. Ethische Überlegungen mit einem Blick auf die Familie zu beginnen, bedeutet jedoch im einen wie im andern Fall, Glück und Freude, Nähe und Geborgenheit, erfüllte Partnerschaft und Dank für gelingende Beziehungen in ihrem hohen Wert für das menschliche Leben zu würdigen.
    Nicht nur Konflikte bilden den Stoff der Ethik, sondern auch das Glück. Ethik richtet sich darauf, dass Leben gedeiht und gelingt. Für die meisten Menschen ist die Familie der erste Raum, in dem sie gelingendes Leben erfahren und das Vertrauen entwickeln, dass solches Gelingen immer wieder möglich ist. Für die meisten Menschen ist die Familie auch der erste Raum, in dem sie Streit und Zorn, Versagen und Verstimmung erleben; das schließt die gegensätzlichen Möglichkeiten ein, dass sie dem Scheitern von Beziehungen oder der erneuernden Kraft des Verzeihens begegnen. Diese Erfahrung ist ethisch elementar: Da wir als Menschen Fehler machen, sind wir auf dem Weg zum Glück auf Vergebung angewiesen.
    Ehe und dauerhafte Partnerschaft sind nicht
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