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Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod

Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod

Titel: Ethik: Die Grundfragen unseres Lebens von der Geburt bis zum Tod
Autoren: Wolfgang Huber
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Lebensrisiken absichern; im Rahmen möglichst zurückhaltender rechtlicher Regelungen soll jeder tun können, was er will; und im Übrigen ist jeder seines eigenen Glückes Schmied.
    Ein solches Verständnis der Freiheit erklärt sich daraus, dass wichtige ethische Themen heute vor allem aus wirtschaftlicher Perspektive verstanden und erläutert werden. Freiheit ist deshalb vor allem Wirtschaftsfreiheit. Die Freiheit von äußerer Not bildet die Voraussetzung dafür, dass jeder seine Kräfte für den eigenen Vorteil einsetzen kann. Die Aufgabe des einzelnen besteht darin, die eigenen Lebenschancen so gut wie möglich zu nutzen. Eine Werbung fasst diese verbreitete Freiheitsvorstellung gut zusammen: «Du kaufst keinen Bausparvertrag. Du kaufst Freiheit!»
    Doch die Orientierung am eigenen Vorteil ist nur ein Aspekt der Freiheit. Freiheit als «das Gefühl, Urheber unseres Willens und Subjekt unseres Lebens zu sein» (Bieri 2001: 73), ist nicht nur ein Anspruch des einzelnen im Blick auf sein eigenes Leben; sie ist zugleich ein Maßstab für den Umgang mit anderen. Freiheit ist individuell, aber nicht egozentrisch.
Freiheit und Gerechtigkeit
    Niemandem kann das Recht verweigert werden, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen und zu gestalten. Deshalb muss allen Menschen der gleiche Zugang zur Freiheit offenstehen. Nur dann ist das Streben nach Freiheit mit der gleichen Würde aller Menschen vereinbar. Die Freiheit als Ausgangspunkt der Ethik verbindet sich deshalb mit der Pflicht, die gleiche Freiheit aller anzuerkennen. Man bezeichnet diese Haltung als egalitären Universalismus. Wo immer man ihm begegnet, befindet man sich auf direkte oder indirekte Weise zugleich im Wirkungsbereich des aufklärerischen Vernunftdenkens wie der jüdisch-christlichen Ethik.
    Konkreten Ausdruck findet die Sehnsucht nach Freiheit insbesondere angesichts erfahrener Unfreiheit. Das Verlangen nach Freiheit wird im Blick auf die konkreten Einschränkungen formuliert, die überwunden werden sollen. «Sobald diese Beschränkungen überwunden sind, stellen sie den positiven Inhalt dessen dar, was wir jeweils als unsere Freiheiten bezeichnen.» (Mead 1983: 411) Erfahrungen der Unfreiheit und die Kämpfe um ihre Überwindung führen somit zu veränderten Deutungen der Freiheit sowie zu neuen Bemühungen darum, sie rechtlich zu gewährleisten. Der Kampf um die Überwindung der Sklaverei ist der Prototyp dieses geschichtlichen Prozesses (vgl. Patterson 1992). Das Bewusstsein von Freiheit als einem verbindlichen Wert für menschliches Leben und für die Gestaltung des menschlichen Zusammenlebens entsteht also aus einem «Wechselspiel von Leiden und Wertbildungskraft … der Kampf um religiöse Freiheit im 18. Jahrhundert, der Kampf um die Abschaffung der Sklaverei im 19. Jahrhundert, der Kampf gegen die Wiederkehr des Holocaust im 20. Jahrhundert – ohne diese Kontexte lässt sich die stufenweise Artikulation und Institutionalisierung dieser Werte nicht verstehen» (Joas 2002: 451). Ihre inhaltliche Bestimmtheit erlangen Freiheitsforderungen in aller Regel aus der Erfahrung von verweigerter Entfaltung, Zwang und Ungleichheit.
    Die Unabhängigkeit von fremdem Zwang, also die negative Freiheit, und die Möglichkeit zur Gestaltung des eigenen Lebens, also die positive Freiheit, gehören unlöslich zusammen. Beide Formen der Freiheit gegeneinander auszuspielen hat wenig Sinn (vgl. Berlin 2006: 197ff.; Taylor 1988: 118ff.). Auf der einen Seite beruht die Freiheit darauf, dass die staatlicheGemeinschaft das selbstbestimmte Handeln der einzelnen nur insoweit einschränkt, als dies um der Freiheit willen notwendig ist. Doch auf der anderen Seite muss Freiheit gestaltet werden – und zwar so, dass allen ein möglichst gleicher Zugang zu ihr ermöglicht wird. Die Fairness gegenüber den Gesellschaftsgliedern mit den geringsten Freiheitschancen bildet einen entscheidenden Maßstab positiv verstandener Freiheit. Daran zeigt sich, dass Freiheit niemals nur je meine ist, sondern das Interesse an der des anderen einschließt. Deshalb trägt Freiheit ihrem Wesen nach einen kommunikativen Charakter.
    Diese Einsicht nötigt dazu, nicht bei einem individualistischen Verständnis stehen zu bleiben, sondern nach den Bedingungen wie nach den Folgen individueller Freiheit im gemeinsamen Leben zu fragen (vgl. Bedford-Strohm 1993, 1998).
Die Freiheit und ihre Grenzen
    Wenn man unter Freiheit das Gefühl versteht, das eigene Leben selbst in der Hand zu haben, kann man die
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