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Eternally - Cach, L: Eternally

Eternally - Cach, L: Eternally

Titel: Eternally - Cach, L: Eternally
Autoren: Lisa Cach
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süße Momente lang gebannt, überwältigte sie wieder und legte sich ihr wie ein tonnenschweres, erdrückendes Gewicht auf die Brust. Ihr Gesicht verzog sich vor Trauer, und ein tiefer Schluchzer entrang sich ihr.
    Sie drehte sich von ihren Freundinnen weg zur Wand, kauerte sich zusammen und weinte.
    Als würde sie schlafwandeln, ließ sie die Englisch- und Französischstunden über sich ergehen. Sie nahm kaum die Menschen um sich herum wahr. Die Trauer ertränkte alle anderen Gefühle und machte sie unfähig, über irgendetwas anderes nachzudenken oder sich zu um irgendetwas zu kümmern.
    Erst im Kunstunterricht wurde etwas in ihr wieder zum Leben erweckt.
    »Heute Selbstporträts!«, verkündete Monsieur Girard und teilte Spiegel aus. »Alle großen Künstler haben sich selbst Modell gestanden.«
    Caitlyn baute ihre Staffelei und den Spiegel neben Naomi auf. »Alles in Ordnung?«, fragte Naomi besorgt.
    Caitlyn zuckte mit der Schulter und ließ die Mundwinkel hängen. Sie fand keine Worte.
    Sie nahm ihre Zeichenkohle und schaute in den Spiegel. Sie sah ein blasses, gequältes Gesicht mit Schatten unter geröteten Augen und schwarzem Haar, das in Strähnen herabfiel. Sie wandte sich ihrem Papier zu und begann, es mit schwarzer Zeichenkohle zu bedecken. Ihr Arm bewegte sich stetig und bedächtig und verwandelte das makellose Weiß in eine dunkle Leere. Als ihre Kohle nur noch ein Stummel war, legte sie sie beiseite und nahm ihren Radiergummi. Stück für Stück hob sie kleine helle Stellen in der Dunkelheit hervor und ließ dann in der Mitte ein blasses Gesicht hinter einem Schleier entstehen. Die Augen waren graue Löcher, der Mund ein Strich der Trauer. Sie arbeitete, ohne sich darum zu kümmern, ob ihr das Porträt ähnlich sah. Es ging ihr um das Abbild ihrer Seele, nicht ihres Gesichts.
    Als sie spürte, dass jemand hinter ihr stand, drehte sie sich um.
    Monsieur Girard betrachtete ihr Bild. Einen Arm hatte er über die Brust gelegt, mit der Hand umfasste er seinen anderen Ellbogen, und sein Zeigefinger tippte auf seine Unterlippe. Seine Augen waren zusammengekniffen, sein Kopf zur Seite gelegt.
    »Eine interessante Abweichung von deinem sonstigen Stil«, sagte er schließlich. »Die Proportion von Nase und Kinn ist nicht ganz richtig, aber das Bild hat emotionale Kraft. Gute Arbeit.«
    Caitlyn sah ihn erstaunt an.
    Er beachtete ihre Überraschung nicht und ging weiter.
    Caitlyn tauschte einen Blick mit Naomi, um sicherzugehen, dass sie gerade eben für dieses schwarze Geschmiere gelobt worden war.
    Naomis Lippen zuckten. »Streberin«, zog sie Caitlyn auf.
    Caitlyn musste unwillkürlich lachen und war selbst überrascht darüber. Zum ersten Mal, seit sie an diesem Morgen aufgewacht war, fühlte sie sich mit der Welt verbunden.
    Sie blickte sich um, als erwache sie aus einem Traum.
    Das war die Welt, in die sie jeden Morgen mit der Regelmäßigkeit einer Uhr zurückkehrte. Hier hatte sie keine Tage übersprungen, keine Zeit fehlte, es gab keine Lücken in ihrer Lebensgeschichte. Sie verschwand nicht aus Räumen, so wie in Raphaels Welt. Sie stieg nicht in die Zeit oder aus der Zeit. Sie trug nicht plötzlich rosarote Satinkleider. Sie lebte hier. Sie war echt hier.
    Sie war lebendig, kein Geist. Sie war nicht tot in irgendeinem physischen Sinne.
    Sie blickte auf ihr Bild und erkannte sich selbst. Sie war tatsächlich die Frau in Schwarz, aber sie war auch Caitlyn Monahan.
    Sie brauchte mehrere Tage, um sich alles zusammenzureimen. Danach wusste sie nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Als sie es Naomi und Amalia erklärte, waren sie genauso verwirrt wie sie. Das Ganze hatte jedoch eine zwingende Logik.
    Caitlyn war nicht, wie Raphael angenommen hatte, tot. Die Fortuna-Schule war nicht der Traum eines verlorenen Geistes. Sie war nicht bei einem Autounfall auf dem Weg vom Flughafen zum Château umgekommen. Ihre Seele war vielleicht dahingeschwunden und gestorben, als Raphael seinen letzten Atemzug getan hatte, aber ihre jetzige Realität war ganz sicher kein Traum oder eine jenseitige Welt.
    Sie war ein Geist, aber sie war nicht tot. Dieser Gedanke war verwirrend, bis ihr einfiel, was Amalia gesagt hatte: Niemand wusste, wie Geister wirklich waren. Wer wusste schon, ob ein Geist nicht auch ein lebender Mensch sein konnte?
    Sie wurde nicht mehr im Schlaf von Kreischern heimgesucht, keine bösen Geister kamen mehr, um sie zu quälen. Im Gegenteil, auf einmal war sie es, die plötzlich in der Dunkelheit erschien
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