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Esti (German Edition)

Esti (German Edition)

Titel: Esti (German Edition)
Autoren: Péter Esterházy
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zieht Arbeit nach sich.
    Bei der ersten sich bietenden Gelegenheit fiel Esti über mich her. Pass auf, verfickt, das wird nicht gehen. Was kleisterst du hier zusammen? Was zum Teufel mache ich unter so vielen Graffs?
    Fürsten, mein Kornél, Fürsten, seien wir ein bisschen aufmerksam.
    Graf, Fürst, scheißegal, ich habe dazu keine Lust.
    Dieser Ton und diese Plumpheit eignen weder dir noch mir. Das möchte ich hier festhalten. Und nebenbei möchte ich bemerken, niemand wird gefragt, wohinein er geboren werden will. Und du hättest auch schlechter abschneiden können, du bist der Erstgeborene in einer First-Class-Hochadelsfamilie, halb Ungarn gehört dir …
    Wird gehören, nur wird, das muss man noch abwarten. Und höchstens ein Viertel.
    Großartig, ich sehe, du hast dich informiert.
    *
    Stell dir vor, Alter, mein Vater hat Horthy aufgesucht.
    Da müssen die Probleme schon groß gewesen sein. Ich denke, sie schlugen sich mit dem Absprung herum.
    Stell dir vor, Alter (beziehungsweise verdammt), als sie allein waren, öffnete der Reichsverweser, anstatt meinem Vater wie üblich einen Whiskey anzubieten, plötzlich seinen …
    Ich will es nicht hören.
    Willst du nicht die Vergangenheit kennenlernen? Die gemeinsame Vergangenheit? Ohne die es weder Gegenwart noch Zukunft gibt? Ich fahre fort. Diese Vorbereitungen treffend, bat er meinen Vater um das Schrecklichste, um das ein Mann einen Mann bitten kann.
    Der Reichsverweser ein Mitglied des Kronrats?
    Nein, zuerst ein Mitglied des Kronrats den Reichsverweser.
    Esti! Das ist eine Schande! So kannst du nicht reden! Denk daran, das Schicksal, die Dignität eines Landes …
    Nun, das ist es ja! Daran hat unterdessen auch mein Vater gedacht. Er hat das Ganze schlucken müssen – sozusagen. Aber war das nicht immer so?! Unser einsames Vaterland darf nicht länger dahinsiechen! Mit den Türken, den Habsburgern, den Russen, immer ist es dasselbe, zuerst konkludentes Verhalten, dann bittender Befehl, befehlsartige Schleimerei, schleimender Zwang, zwingendes Betteln, bettelnde Anweisung, dann das Schlucken, das Schlucken der Kröte, der ewige Verlierer der ungarischen Geschichte … Übrigens hat meinen Vater Horthys Habitus angenehm überrascht, nicht dass er im Vorhinein Erwartungen bezüglich Horthys Habitus gehabt hätte. Mich würde es überraschen, wenn mein Vater vorher an Horthys Habitus gedacht hätte … Die Aristokraten fühlten im Zusammenhang mit dem Reichsverweser fast genauso wie der Plebs. Jedenfalls, wenn du dir die geheimen Protokolle des Kronrats anschaust, aus ihnen kann nicht auf diesen aufopferungsvollen Zwischenfall geschlossen werden.
    Der Plan des kleinen Romans wurde verworfen (vorübergehend, provisorisch, einstweilen, hihi).
    Appendix: »Was war mein Problem zur Zeit Alexanders des Großen?«, brüllte Esti außer sich. »Was für ein Problem, verflucht nochmal, hatte ich zur Zeit Ludwigs des XIV. und zur Zeit der Pharaonen und zur Zeit Karls V. und Leopolds II.? Überhaupt keins, es gab überhaupt nichts, was mir fehlte. Im Jahr 2000 wird mir wieder nichts fehlen, und auch 3000 nicht und 5000 nicht, und danach wird mir auch nie irgendetwas fehlen. Nur jetzt«, brüllte er, »nur hier.«
Von innen
    Nicht einmal wegzerren konnte man den kleinen Esti von der Orgel der Dorfkirche. Meistens spielte er Bach. Kornéllein! Kornéllein. Esti spielte weiter. Kornéllein, kommen Sie auf der Stelle, Ihr gütiger Herr Vater hat ausgelitten! Esti spielte weiter. Seitdem hört er die Töne anders. Und wenn er nicht gestorben ist, dann spielt er noch heute. (Er ist noch nicht gestorben, obwohl seine acht Jahre jüngere Schwägerin letzte Woche von uns gegangen ist, von innen verfaulet, so hat es geheißen.)
    Appendix: Don Giovanni -Ouvertüre mit dem langsamen Furtwängler: ideal zum Packen oder Supperühren. Doch schon zum verschnörkelteren Zwiebelschneiden nur Bach! DAS WOHLTEMPERIERTE KLAVIER !
Pläne
    Zur Zeit des Burenkrieges, doch es hätte leicht auch zu anderer Zeit geschehen können, beschloss Esti, sich von nun an regelmäßig mit seinem Vater (seinem Sohn) zu treffen, nicht zu sog. Vater-Sohn-Gesprächen, nicht um die immer saurere Einsamkeit des alten Herrn zu zerstreuen (nicht um dem Sohn die sowieso bloß für die eigene Person gültigen Weisheiten der Erfahrung einzutrichtern), sondern nur so, einfach, um physisch in seiner Nähe zu sein. Spazieren. Ihm zuzwinkern. Seine Schulter berühren. Seinen Nacken. Ihn umarmen, nach Hause gehen,
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