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Esti (German Edition)

Esti (German Edition)

Titel: Esti (German Edition)
Autoren: Péter Esterházy
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Wort »Pirat« kehrt auch in Esti der Mann zurück. Dieser Pirat ist sein Leben geworden.

Skizzenvariante
    E sti musste für den Satz »Nun fick mich doch endlich, du verdammter Piratenwichser!« einen Kontext finden. Da kam die Baroness herein. Auf die Schnelle nahm Esti sie im Stehen so in Augenschein, dass sie die Ohren anlegte (sowohl sie als auch Esti, das sind, der Ordnung halber, insgesamt vier Ohren). Das ist nun wirklich eine Skizze, doch dies, diese angelegten Ohren, sind sein Leben geworden. Anmerkung: Wenn so, dass ihr Hören und Sehen vergeht, dann sind diese Taubheit und Blindheit Estis Leben.

Er verzettelt sich
    E sti wurde gern um Vor- und Nachworte gebeten, und er schrieb diese auch gern. Beziehungsweise mal schrieb er sie, mal nicht. Kornél Esti konnte gut ja und gut nein sagen. In Vorworten war er vielleicht überzeugender als in Nachworten, böse Zungen behaupteten, in jenen könne er bravourös die Freiheit des »Vor-dem-Lesen-Seins« ausnutzen, könne hin und her schweifen, ohne dass ihm der Gegenstand, der konkrete Klotz des Buches am Bein hinge, das DING AN SICH ihn zügele. Die bösen Zungen formulierten das natürlich schärfer.
    Zuletzt hatte er gerade den Auftrag für einen Donau-Fotoband bekommen. Über die Donau schwatzte er immer gern. Er kannte den Fluss gut; sie hatten, sozusagen, eine Romanze. Er setzte sich also hin, nicht auf Steine am Flussdamm, aber an seinen Schreibtisch, um die Auftragsarbeit zu erledigen. Wenn er aus dem Fenster blickte, sozusagen plötzlich die leicht angeschwollene Donau sah, schien die Sonne (auf die Donau, nicht auf ihn), Schiffe kamen und fuhren, Möwen auf und ab – nun, als wäre der Vormittag in Ordnung. Wie sehr dieser Fluss zu der Stadt gehört, das kam ihm wieder in den Sinn. Dann noch, dass sie die einzige echte, große Donaustadt ist. Irgendwie fielen ihm immer seine alten Sätze wieder ein … Gute Sätze, er hatte nicht im mindesten ein Problem mit ihnen, man könnte sie in eine neue Reihenfolge bringen, nur …
    Vielleicht der Sprühregen (scheint nun die Sonne oder regnet es?) oder der Verdacht auf beginnende Kopfschmerzen bewirkten, dass Kornél Esti sich nicht scheute, auf einmal über den Sinn des Lebens nachzudenken. So stieg jene Frau von damals in seiner Erinnerung auf.
    Damals, als aus dem Lenin- der Theresienring wurde und findige Studenten aus Konservenbüchsen mit der Aufschrift »Der letzte Atem des Sozialismus« Geld schlugen, lebte eine Frau in der Majakowskistraße (damals schon wieder Königsstraße) Nummer 13, im Gozsdu-Hof, dem vielleicht »größten und geheimnisvollsten Durchgangshaus« von Budapest, eine Frau, die dick und rosig war wie ein Ferkelchen, aber dennoch beliebt bei allen in der Umgebung, sogar in Ráckeve hatte sie Verehrer, und in Újpest, vielleicht wegen ihres Geruchs, denn sie roch so gut. Die Frau, die ansonsten allein lebte, sammelte in kleinen Fläschchen die Donau. Sie hatte Donau am Abend und Donau am Morgen, Frühlings-Donau, zürnende Donau, Treibeis-Donau (die sie im Kühlschrank verwahrte), sie hatte grüne Donau, helle, graue und blaue Donau, wer könnte alles aufzählen; sie standen in Reihen in einem handgeschnitzten Regal über ihrem Bett, und wer zu ihr kam, alle ihre Verehrer, musste sich die Sammlung ansehen. Das ist die Donau, brummten die Männer.
    Und das ist das Donau-Vorwort, brummte Esti und reiste seinem sehnsüchtigen Herzen folgend hinab: zur blonden Theiß.
    Esti, Leben, das.

Bis ans Ende unseres Lebens
    K ornél Esti, dieser aus Worten gewobene usw., lernte eine Frau kennen. Die Rehaugen hatte, vier Kinder und in den unerwartetsten Augenblicken, in der Küche, im Büro, an der Bushaltestelle Rad schlug. Hopp, und sie schlug ein Rad, NEUN KOMMA NEUN . Das bestaunte Esti bis ans Ende seines Lebens, beziehungsweise darauf wartete er ständig. Nichts und niemand interessierte ihn wirklich, nur das Rad. Ob noch eins käme. Doch immer kam noch eins. Zumindest bis ans Ende seines Lebens.

Sechzig
    K ornél Esti wurde vor sechzig Jahren geboren. Mehr als fünfzig Jahre später beendete er gerade einen Roman, es wütete ein ungemütlicher Januar, und niemanden hätte es überrascht, wenn die Donau wie in guten alten Zeiten zugefroren wäre, übrigens fror sie nicht zu, so gut sind die neuen Zeiten dann doch nicht, beim Schwatz mit einem befreundeten Schriftsteller entschlüpfte ihm, besser gesagt, ihnen, denn in großer Eintracht, einander bestärkend und ermunternd klopften sie sich
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