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Esti (German Edition)

Esti (German Edition)

Titel: Esti (German Edition)
Autoren: Péter Esterházy
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Angyalföld, der nach dem obligatorischen Leben – Dachau all inclusive – als zuverlässiger Kader: sein ganzes Leben lang Karten kloppte. Er verstand sich darauf. Die kleine Esti aber sog das Wissen in sich auf. Sie lernte schnell, ihr Interesse wandte sich nach kurzer Zeit dem Halbblatt zu und Betli spielte sie am elegantesten, ihr Ziehvater nannte sie nur Betli-Königin, meine Betli-Königin, denn er spielte nicht nur pausenlos Ultimo, er trank auch pausenlos. (Um ein einträgliches Zitat zu bringen: Kornél Esti spielte Ultimo wie Géza Ottlik Bridge; legendär.)
    Nach der Universität kam sie zur Feuilletonredaktion einer Tageszeitung, misstrauisch wurde sie empfangen, »Ästhetik? Gelehrtentussi?, was?«, und alle schnitten Grimassen, während sie auf Estis Schenkel starrten, auf jenen geheimnisvollen Sommersprossenstrauß, dort, schon ziemlich weit oben. Lauter Männer, alte, zynische, nach Tabak stinkende Vierzigjährige. Und sie spielten Ultimo, Ultimo ist ein Spiel für Männer. »Mann« möchte ich jetzt nicht definieren, würde Esti herausplatzen. Sie arbeitete viel, schrieb, erledigte die Post und die Angelegenheiten der Redaktion, die Herren waren nach drei nur noch zu Ultimo und Bier zu gebrauchen. Auch das Bier ließen sie Esti holen sowie Schnitzel- und Pariser Semmeln.
    Am Nachmittag schauten auch die Autoren vorbei, und währenddessen lief, summte, wie vom Tonband, unaufhaltsam dieses ordinäre, leere Männergelaber. Setzen Sie sich hier auf meinen Schoß, schönes Judenmädchen, mit diesen Worten grapschte einmal ein zufällig vorbeigekommener, angeheiterter Literaturhistoriker, der sich bei der Verbreitung, Neuentdeckung der Literatur der ungarischen Minderheiten unvergängliche Verdienste erworben hatte, nach Esti, woraufhin ein anderer zufälliger Besucher, ein Dichter, übrigens einer der Favoriten des Literaturhistorikers, ohne zu überlegen den Rotwein (von skandalöser Qualität) auf ihn kippte, begleitet von einem leisen, fast schon verschämten »du Laus!«.
    Das Leben trieb dahin, dieses sanft schäumende osteuropäische Leben, Esti war aufmerksam, lernte, schuftete und war furchtbar dankbar, als sie nach zwei Jahren wirklich hässlich und hinterhältig rausgeworfen wurde, in hohem Bogen.
    Doch zuvor noch der andere Strang.
    Nach einer Zeit wurde es relativ ruhig um Esti, das kleine Kollektiv der Redaktion hatte sich damit abgefunden, jenen Sommersprossenstrauß nicht näher kennenlernen zu können. Relativ ruhig deshalb, weil der Korrektor die Hoffnung nicht aufgab, Esti doch noch das Höschen abzuschwatzen, deshalb redete er für Esti (was er unter »für Esti« verstand) literarischen Schmus; die Literatur ist ein großer Herr. Esti wurde den Gedanken nicht los, dass der Mann in Wahrheit die »Frau des Dichters« rumkriegen wollte – inzwischen war Esti mit dem Rotweindichter zusammengekommen –, es gibt diese seltsame latente Homosexualität zwischen Kerlen, die über die Frauen läuft. Armes Rindvieh, so fasste es das (hier und jetzt) überhaupt nicht obskure Objekt der Begierde mitleidslos zusammen.
    Es ergab sich, dass Esti als vierter Mann einspringen musste. Die Männer belehrten sie mit netter Überheblichkeit, sehen Sie, Kornéllein, das hier ist ein ungarisches Blatt, zweiunddreißig Karten, glauben Sie es, Kornéllein, es sind so viele, zählen Sie, mein Engel, nicht nach. Esti ließ sie machen, sollten sie doch schulmeistern, sie lächelte unschuldig wie eine auf die Sekretärin aufgepfropfte Hausfrau. Zwei, drei Runden hindurch schaute sie nur zu, und da sah sie, wie klug ihr (Zieh-)Papa spielte. Nach der ersten gewonnenen Partie wurde sie gefeiert, nach der zweiten ermuntert, nach der dritten trat Stille ein, eher verwunderte als eisige oder wütende, und am Ende blechten sie wie die Blöden. Innerhalb von drei Stunden hatten sie auch ihr letztes Hemd verspielt (im übertragenen Sinn).
    Wo hast du das gelernt?
    Zu Hause, antwortete Esti trocken und setzte sich nie mehr zu ihnen und holte ihnen nie mehr Bier. Dieses »nie mehr« ist ihr Leben geworden. Und auch die kurzen Röcke, nur werden die nicht mehr als nuttig bezeichnet.

Diese
    P arodie (denn – fast – alles ist Parodie). – Esti konnte diese Eszti nicht ausstehen, nach dem Sportunterricht roch er sie auch, pfui, dennoch spielten sie Mann und Frau. (Esti-Eszti, das brachte sie zusammen; Worte!, pfui, könnten wir noch hinzufügen.) Das Mädchen kam für die Hausaufgaben rüber und sagte, sie sollten Mann
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