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Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade

Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade

Titel: Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade
Autoren: Laura Esquivel
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war der Grund, warum Nacha Rosaura nicht mochte, aber auch die Rivalitäten zwischen den beiden Schwestern hatten liier ihren Ursprung und wurden nun von jener Hochzeit gekrönt, die bedeutete, daß Rosaura den Mann heiratete, den Tita liebte. Was Rosaura freilich nicht wußte, obwohl sie es wohl ahnte, war, daß Pedro unbeirrt an seiner Liebe zu Tita festhielt. Jedenfalls war es nur allzu verständlich, daß Nacha für Tita Partei ergriff und auf jede erdenkliche Weise versuchte, ihr Leid zu ersparen. Mit der Küchenschürze wischte Nacha die Tränen fort, die Tita über die Wangen kullerten, und meinte endlich: »Nun ist es gut, Kindchen, Schluß mit dem Weinen!«
    Freilich brauchten sie noch ungewöhnlich lange, bis sie fertig wurden, da Titas Tränen den Teig derart verwässert hatten, daß er einfach nicht mehr fest werden wollte.
    So lagen sie sich eine Weile schluchzend in den Armen, bis Titas Tränen versiegten. Und noch immer hörte sie nicht auf zu weinen, wenn auch jetzt mit trockenen Augen, was schmerzhafter sein soll als eine trockene Geburt, doch zumindest den Vorteil hatte, daß der Teig sich nicht weiter verflüssigte und sie endlich ihre Arbeit fortsetzen konnten:
    FÜLLUNG:
     
    150 g Aprikosenmus
    150 g Kristallzucker
     
    ZUBEREITUNG:
     
    Man stellt die Aprikosen mit wenig Wasser aufs Feuer, bringt sie zum Kochen und gibt sie dann durch ein feines Haarsieb oder ein engmaschiges Drahtsieb; zur Not kann auch ein normales Sieb benutzt werden. Das Mus wird anschließend in einen Topf umgefüllt, der Zucker hinzugegeben und das Ganze aufs Feuer gestellt, ohne daß man aufhört zu rühren, bis die Masse geliert. Nun nimmt man den Topf erneut vom Feuer und läßt die Marmelade abkühlen. Zum Schluß streicht man sie auf die Hälften des zuvor in der Mitte durchgeschnittenen Kuchens.
    Glücklicherweise hatten Tita und Nacha vorgesorgt und bereits einen Monat vor der Hochzeit mehrere Einmachgläser mit Aprikosen, Feigen und einem Gemisch aus Süßkartoffeln und Ananas gefüllt. Dank dieses Umstandes konnten sie sich an jenem Tag wenigstens die Mühe der Marmeladenherstellung ersparen.
    Sie waren es gewohnt, riesige Mengen von Marmelade in einem Bottich anzurühren, der im Patio stand, um die Früchte der Jahreszeit aufzunehmen. Er wurde auf ein großes Holzfeuer gehoben, und beim Marmeladerühren mußten sie ihre Arme mit alten Bettlaken umwickeln, um zu verhindern, daß Spritzer ihnen die Haut verbrannten.
    Als Tita das Glas öffnete, ließ der Aprikosenduft in ihrer Erinnerung jenen Nachmittag wieder lebendig werden, an dem sie die Marmelade gekocht hatten. Tita war mit einer ganzen Ladung Früchte im Rock - sie hatte den Korb vergessen - vom Garten zurückgekehrt. Sie hatte den Rock hochgeschürzt getragen, als sie die Küche betrat, und wie groß war ihre Überraschung gewesen, als sie dort auf Pedro stieß. Pedro war gerade unterwegs zum Hinterhof gewesen, wo die Kutsche stand. Man hatte unerwartet ins Dorf fahren müssen, um ein paar Einladungen auszuteilen, und da der Stallmeister morgens nicht erschienen war, hatte Pedro angeboten, sich selbst darum zu kümmern. Nacha hatte ihn in die Küche kommen sehen und sich blitzschnell davongemacht unter dem Vorwand, sie wolle draußen Epazote-Kraut für den Bohneneintopf holen. Tita hatte vor Schreck einige Aprikosen auf den Boden rollen lassen. Pedro war flugs zur Stelle gewesen, um ihr beim Aufsammeln zu helfen. Als er sich herunterbückte, hatte er einen Blick auf Titas entblößte Beine erhaschen können.
    Peinlich darauf bedacht, daß Pedro ihr nur ja nicht auf die Waden schaute, hatte Tita den Rock sogleich wieder fallen gelassen.
    Dabei hatten sich freilich die restlichen Aprikosen über Pedros Kopf ergossen.
    »Verzeihung, Pedro. Habe ich Ihnen weh getan?«
    »Nicht so sehr, wie ich Sie verletzt habe: Darf ich Ihnen sagen ...«
    »Ich habe Sie um keine Erklärung gebeten.«
    »Sie müssen mir einfach erlauben, daß ich nur ein paar Worte an Sie richte ...«
    »Einmal habe ich Ihnen nachgegeben und bin auf Ihre Lügen hereingefallen, jetzt möchte ich nichts mehr hören ...«
    Und schon war Tita auf die gegenüberliegende Tür zugelaufen und aus der Küche geradewegs in das Wohnzimmer verschwunden, wo Chencha und Gertrudis am Hochzeitslaken stickten. Das Laken war aus weißer Seide und wurde in der Mitte durch hauchfeine Lochstickerei verziert. Jenes Loch war dazu bestimmt, in den intimsten Momenten des Ehevollzugs nur die edelsten Körperteile der
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