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Eskandar: Roman (German Edition)

Eskandar: Roman (German Edition)

Titel: Eskandar: Roman (German Edition)
Autoren: Siba Shakib
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Aftab.
    Alte Knochen?, fragt Eskandar-Agha. Meine Glieder sind eingerostet und steif, und mein Rücken ist krumm wie der vom Krummen-Morad, aber auf einen Stock gestützt kann ich noch immer bis zum alten Baum im Dorf gehen.
    Möge Gott Ihre Gesundheit erhalten und Ihr Leben verlängern, antwortet Aftab.
    Mit deinen über dreißig Jahren bist du auch nicht mehr die Jüngste, sagt Eskandar-Agha, warum heiratest du nicht?
    Warum sollte ich?, antwortet Aftab selbstbewusst. Tante-Nimtadj hat auch nicht geheiratet, und sie sagt, dass sie glücklich ist. Außerdem wissen Sie genau, noch bin ich keine dreißig.
    Oh, sagt Eskandar-Agha, sagt Nimtadj das? Die Wahrheit allerdings ist, sagt Eskandar-Agha und hält inne, die Wahrheit, wiederholt er, als müsste er sich seine Worte zurechtlegen, bevor er sie spricht. Nimtadj konnte nicht heiraten, sagt er schließlich, die Zeiten sind schlecht gewesen.
    Und Sie glauben, jetzt sind die Zeiten gut?
    Ich weiß nicht, sagt Eskandar-Agha. Wenn man ein ganzes Jahrhundert in dieser Welt gewesen ist, kann man nicht mehr so gut einschätzen, ob die Zeiten gut oder schlecht sind.
    Ein Jahrhundert ist eine gute Lebenszeit, antwortet Aftab. Es gibt nicht viele Menschen, die dieses Alter erreichen, sagt Aftab und malt die Zahl in ihren Block, der aufgeschlagen vor ihr liegt. Agha-Bozorg, sagt sie, was halten Sie davon, wenn wir eine Reportage fürs Fernsehen über Sie machen? Wir werden in den Süden reisen und mit Ihrem Dorf ohne Namen beginnen. Und wir werden mit Ihrem jetzigen Leben in diesem wunderbaren Dorf hier enden.
    Willst du mich umbringen?
    Ob Sie nun hier sitzen oder im Flugzeug, welchen Unterschied macht es?, fragt Aftab grinsend, denn sie weiß genau, dass sie mit einem Flug ihren alten Großvater ködern kann. Das schaffen wir, sagt sie. Wie gefällt Ihnen der Titel?
    100 Jahre – Eskandar-Agha & das persische Naft.
    Gut, gut, sagt Eskandar-Agha und lacht leise vor sich hin. Wenn ich endlich wieder mal in den Genuss komme, eine Reise mit dem Flugzeug zu machen, habe ich nichts dagegen. Dann werde ich dir alles erzählen, sagt Eskandar-Agha. Von meiner Mutter, die am liebsten davongelau fen wäre; von meinem Vater, der Opium geraucht hat; und vom Reiter-Hodjat, der mir meinen Namen gegeben hat. Ich werde von Mesterr-Richard mit seinem gelben Haar und seinem Geheimnis erzählen und von Palang-Khan, dem großen Tiger, er ist der Mann von Mahrokh-Khanum, deiner unglückseligen Urgroßmutter, nein, Stiefurgroßmutter, gewesen.
    Aftab sieht Eskandar-Agha an und schreibt in ihren Block: Und wann werden Sie mir von meiner richtigen Großmutter, Khadije-Khanum, der Mutter meiner verstorbenen Mutter-Sahra, erzählen?
    Was ist?, fragt Eskandar-Agha. Was schreibst du da?
    Ich habe geschrieben, dass Sie mir von Palang-Khan, dem Führer des Stammes der Bakhtiari erzählen werden, lügt Aftab und spielt verlegen mit dem Farvahar-Anhänger, der um ihren Hals hängt.
    Schalte den Apparat an, unterbricht Eskandar-Agha seine Enkelin. Ich will Nachrichten sehen.
    Aftab bedient die Fernbedienung unauffällig und grinst.
    Wie machst du das?, fragt Eskandar-Agha. Früher mussten wir aufstehen und einen Knopf drücken, damit der Apparat anspringt.
    Agha-Bozorg, Sie wissen doch, antwortet Aftab. Ich kann zaubern. Wer ist das?, fragt Eskandar-Agha.
    George Bush, erklärt Aftab. Er ist der Präsident der Amrikai.
    Was sagt er? fragt Eskandar-Agha.
    Er sagt, der Iran, Nordkorea und Irak sind die Achse des Bösen.
    Aber du sagst doch, die Terroristen waren Araber, und sie haben in Alman und Afghanistan gelebt.
    Das sage ich nicht nur, das ist Wahrheit.
    Und warum weiß der Präsident der Amrikai es nicht?
    Agha-Bozorg, spielen Sie nicht den Naiven, sagt Aftab und lacht. Mich können Sie so leicht nicht täuschen.
    Warum streiken diese Busfahrer?, erkundigt sich Eskandar-Agha bei der nächsten Meldung.
    Weil die Regierung ihnen bessere Lebensbedingungen versprochen hat, sagt Aftab.
    Wann fliegen wir?, fragt Eskandar-Agha.
    Sobald ich alles vorbereitet habe, antwortet Aftab.
    Deine Filme brauchen doch immer Ewigkeiten, bis sie fertig sind, sagt Eskandar-Agha. Lass uns nicht zu lange warten. Je früher wir fliegen, desto besser. Schließlich werden auch meine Knochen nicht jünger, sagt er und grinst. Sicher ist sicher.
    Keine Sorge, sagt Aftab, ich werde mich gleich an die Arbeit machen.
    Gut, gut, antwortet Eskandar-Agha und lacht.
    Bevor Aftab allerdings die nötigen Genehmigungen bekommt und alles
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