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Es wird Tote geben

Es wird Tote geben

Titel: Es wird Tote geben
Autoren: Georg Haderer
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Stunde später in einem Umkreis von fünfhundert Metern finden … von wegen nicht banal … noch ein Jahr hier ohne Kapitalverbrechen und das ist das letzte Kapitel von Kriminalgenie Schäfer.“
    „Kovacs hat mir erzählt, dass sich letzte Woche in der Nähe ein junges Mädchen aufs Gleis gelegt hat“, meinte Bergmann, nachdem er sich wieder an den Gartentisch gesetzt hatte.
    „Ja … scheiße … siebzehn … wenn ich fünf Minuten früher aufgestanden wäre, hätte ich sie herunterholen können.“
    „Wieso das?“
    „Weil ich meine Morgenrunde am Bahndamm gemacht habe … Ich habe den Zug vorbeifahren sehen … Gleich darauf ist es passiert.“
    „Tut mir leid … Was haben die Eltern gesagt?“
    „Ich habe sie noch nicht befragt … Am liebsten würde ich die Sache unter den Tisch kehren … oder heißt es Teppich?“
    „Ja, Teppich … unter den Tisch fallen lassen.“
    Sie schwiegen eine Zeit lang, ohne jede Verlegenheit, schauten nach Westen, wo die Sonne als Abschiedsgruß den über dem Horizont hängenden Wolken einen strahlenden Rahmen gab.
    „Nehmen Sie eigentlich wieder diese Medikamente … die Antidepressiva?“
    „Nein, will ich nicht mehr“, antwortete Schäfer, „nur so homöopathische Sachen … afrikanische Schwarzbohne, Johanniskraut, Sonnenhut und noch irgendwas …“
    „Dass Sie sich der Homöopathie anvertrauen, erstaunt mich jetzt direkt.“
    „Tu ich auch nicht … aber an den Placeboeffekt glaube ich.“
    „Hm“, machte Bergmann. Er war sich sicher, dass an dieser Gleichung etwas nicht stimmte – nur was genau, wusste er im Augenblick nicht.
    „Wir haben seit letzter Woche ein Filmteam in der Gegend, das eine Krimiserie drehen will“, wechselte Schäfer das ihm nicht sehr angenehme Thema.
    „Wirklich? Ich wette um hundert Euro, dass bald einer von denen einen tödlichen ‚Unfall‘ hat, der sich bei näherer Betrachtung durch Major Schäfer als Mord herausstellt, worauf …“ Bergmann grinste und duckte sich weg, um einem Klaps auf den Hinterkopf auszuweichen.
    „Wenn das passiert, verhöre ich Sie vierundzwanzig Stunden, egal ob Sie ein Alibi haben oder nicht.“
    „So sehr vermissen Sie mich?“
    „Ich mache uns was zu essen“, Schäfer stand auf und schaltete die Außenbeleuchtung ein, „wollen Sie inzwischen eine Zeitung oder was anderes zum Lesen?“
    „Nein … kann ich ein Feuer machen?“
    „Von mir aus … aber nehmen Sie die zersägten Bretter bei der Hütte und nicht das gute Buchenholz … das brauche ich für den Kamin.“
    „Kamin, ts … womit Sie das verdient haben, frage ich mich“, maulte Bergmann, was Schäfer jedoch nicht mehr hörte.

5.
    „Sie haben bei uns den Vortrag gehalten …“
    „Ja, möglich“,erwiderte Schäfer, der gerade in der Betrachtung seines Gummiballs versank. Würde der ihm vielleicht die Zukunft verraten? Die kleinen silbernen Sterne als Wegweiser für ein glückliches Leben?
    „In der Schule … vor drei Wochen!“, ergänzte das Mädchen. Verdammt, Aufmerksamkeitsdefizitstörung war doch ein Privileg ihrer Generation.
    „Stimmt, da war ich.“ Schäfer ließ das Gesicht der Schülerin durch eine schnelle Rasterfahndung in seinem Gehirn laufen. Nein, die war nicht gespeichert. Dafür der Vortrag im Gymnasium: Stundenlang hatte er sich darauf vorbereitet, ein Referat erstellt, das nicht nur die zentralen Aussagen verständlich machen, sondern auch durch Humor, Spannung, persönliche Anekdoten und ein paar interaktive Elemente – Selbstverteidigung für Mädchen – bestechen sollte. Kurzum: ein wichtiger Beitrag, um die Unreifen auf die Gefahren des Lebens vorzubereiten. Hatte er zumindest gedacht, denn zur Aufführung dieser ersten Fassung war es nie gekommen.
    Als Schäfer am Tag vor dem Schulbesuch spätabends seine Aufzeichnungen durchging und im Stehen eine stumme Generalprobe aufführte, hatte er plötzlich ein sehr lebendiges Bild der Schulklasse vor Augen, die ihn am folgenden Tag erwarten würde. Ein einseitiges Bild, das sich in erster Linie aus persönlichen Erfahrungen der üblen Natur speiste: Schüler, die einen Jüngeren halbtot schlugen und den gefilmten Gewaltexzess ins Internet stellten. Dreizehnjährige Burschen, die eine Neunjährige in den Keller lockten. Ein Lungenstich wegen ein paar falscher Worte, eine Schädelfraktur wegen eines Handys, Luftpistolen, Springmesser und Schlagringe in den Schultaschen … Wie wollte er, der Bulle, der Feind, diese verlorene Jugend denn mit einem Vortrag
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