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Es geht uns gut: Roman

Es geht uns gut: Roman

Titel: Es geht uns gut: Roman
Autoren: Arno Geiger
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KFZ-Karte! Die Steuermarken! wiederholte Alma.
    – Bei mir verstärkt sich der Eindruck, du erfindest das nur, um mich zu ärgern und weil ich im Moment knapp bei Kasse bin.
    Sie zeigte ihm ihre eigene Karte:
    – Die gleiche gibt es für deinen Wagen.
    Der Groschen fiel wieder nicht, und als Richard in doppelter Lautstärke seinen Verdacht erneuerte, das sei alles nur, um ihn zu ärgern, ließ Alma das Thema fallen, eingedenk des sachdienlichen Rates, den Dr. Wenzel ihr vor wenigen Minuten gegeben hatte, sie solle Richard im Zweifelsfall nicht allzu ernst nehmen. Na gut. Des Lebens Abendröte. Sie sagte sich: Ich muß schön langsam anfangen umzudenken. Am besten, ich schicke ihm eine Streife hinterher. Er gibt ja selbst zu, daß er Abstände nicht mehr richtig einschätzen kann. Außerdem habe ich vor einigen Wochen beobachtet, wie er beim Salatessen mehrmals Anstalten machte, eine auf den Teller gemalte Blattverzierung auf die Gabel zu laden. Erst nach dem dritten oder vierten Versuch begriff er, daß der Teller leer war.
    Alma ließ Richard gewähren, sie tat so, als würde sein Weggehen ihr schon nichts mehr ausmachen.
    – Wo ist mein Hut? wollte er wissen.
    – Am Garderobenhaken, sagte sie mit Nachsicht.
    Und wenig später, wohlwollend:
    – Paß auf dich auf.
    Aber noch während sie den Wagen die Auffahrt hinunterrollen hörte, rief sie bei der Polizei an mit der Bitte, man möge Richard den Führerschein wegnehmen. Dann Anruf bei der Kammer, wo man ihr mitteilte, daß Frau Ziehrer frei habe. Sie probierte es bei Frau Ziehrer zu Hause. Erfolgreich. Alma sagte, daß sie – bevor sie ihre Bitte ausspreche – einiges erzählen wolle, so, daß Richard überall behaupte, sie (Alma) nenne ihn Mörder. Und daß er beim Weggehen zwei Anzugröcke übereinander anziehen wollte mit der Begründung, daß er nichts anderes habe. Zuletzt kam sie zum Eigentlichen und bat Frau Ziehrer, sie solle ihr die Demütigung ersparen, mit Richard auf die Bank zu gehen, falls er sie darum ersuchen sollte.
    – Sie wollen damit sagen, der Herr Doktor ist deppert .
    – Ich habe dieses Wort nicht gebraucht.
    – Nein, gebraucht nicht, aber Sie haben mir den Herrn Doktor so beschrieben, daß ich es bei mir nicht anders als mit deppert zusammenfassen kann. Und wie ich ihn das letzte Mal gesehen habe, war nichts zu merken, das auf einen Zustand schließen ließe, wie Sie ihn schildern. Sie haben nicht immer recht, Frau Doktor Sterk. Schon vor Jahren war ich schockiert, als Sie dem Herrn Kommerzialrat Lonardelli sagten, Ihr Mann wisse nicht mehr, was er rede.
    Frau Ziehrer hielt Alma eine minutenlange Predigt mit Vorwürfen, daß Alma die Spucke wegblieb. Als auch Ingrid darin vorkam, Alma hätte seinerzeit das Briefgeheimnis verletzt, als sie Richards Brief an Peter gelesen habe, legte Alma auf. Sie fand, solche Anschuldigungen müsse sie sich nicht gefallen lassen. Immerhin (sollte man annehmen) wird auch Frau Ziehrer Richards Gedächtnislücken bemerkt haben. Die sind groß genug, so was kann man nicht übersehen. Oder doch? Nein. Alma schüttelte wiederholt den Kopf, schockiert über soviel Haß und Verdrehung. Sie bereute das Gespräch aber nicht. So sah sie immerhin, wie richtig Richards Ausspruch war, der bei ihr seinerzeit mehr Verwunderung als Zustimmung ausgelöst hatte: Daß man die Fehler, die man selbst begeht, den Leidtragenden nicht verzeiht.
    Stimmt: Richard verzeiht ihr nicht, daß er sich ihr nie anvertraut hat und jetzt krampfhaft seine Vergeßlichkeit vor ihr verbergen muß. Frau Ziehrer verzeiht ihr nicht, daß sie fortwährend Almas Vertrauen mißbraucht mit ihrem hinterfotzigen Getue. Und Richards Schwester Nessi verzeiht ihr nicht, daß sie (Nessi) eine Erbschleicherin ist und ständig zugunsten ihrer Kinder Richards Konten plündert, obwohl es längst kein Geheimnis mehr ist, daß sie Richard über die Höhe ihrer Witwenpension belogen hat.
    Was gibt es dazu noch groß zu sagen?
    Unterm Strich, weiß Gott: Von gut ist das alles weit entfernt.
    Alma unterbricht die Arbeit an den Absperrgittern, weil sie gerade von einer zweiten Biene gestochen wurde. Auch dieser Stich nahezu an derselben Stelle des Schienbeins, wo es nicht gerade angenehm ist, vor allem, da die Stiche, so kommt es Alma vor, bis auf die Beinhaut gegangen sind. Alma hat eine handtellergroße Rötung, die stark geschwollen ist, und es tut auch weh. Mit einem Futterballon in jeder Hand hinkt sie Richtung Werkstatt, wo sie die Stiche mit
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