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Es geht uns gut: Roman

Es geht uns gut: Roman

Titel: Es geht uns gut: Roman
Autoren: Arno Geiger
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zählt. Auf Almas Nachfragen rückte er damit heraus, daß er im Bett bleiben wolle, er fühle sich nicht besonders. Nähere Angaben zur Art dieses Unwohlseins machte er nicht, und er ließ sich auch nicht dazu bewegen, seine Tür zu öffnen.
    Es war nicht das erste Mal, daß Richard seine Pläne wegen eines plötzlichen Anflugs von Willensschwäche unter dubiosen Vorwänden aufschob. Doch da Richard sich seit einigen Jahren immer einsperrte, bekam es Alma mit der Angst zu tun. Sie dachte, womöglich ist er ernsthaft krank und spielt es herunter, weil Krankheit für einen Mann wie ihn eine schwer zu ertragende Schande ist, vergleichbar mit mutwilliger Sachbeschädigung. Dem Tonfall nach, fand sie, grantelte er auch überraschend wenig. Das schien ihr ein weiteres schlechtes Zeichen. So war es nur konsequent, daß sie Dr. Wenzel anrief und ihn bat vorbeizukommen.
    Dr. Wenzel traf zwanzig Minuten später ein, klopfte einmal kräftig an Richards Tür und nannte nach einer wohlkalkulierten Pause mit lauter Stimme Beruf und Namen, was Richard beeindruckte. Er öffnete die Tür bereitwillig (beflissen, diensteifrig) und sagte:
    – Besten Dank, daß Sie gekommen sind.
    Er war im offenen Schlafrock und sah erschöpft aus. An seinem Pyjama zeichneten sich große Schweißflecken ab, als bedeute Schlafen und Im-Zimmer-Sitzen für ihn eine anstrengende Arbeit. Alma tat es weh, ihn so zu sehen, so abgezehrt und mitgenommen. Richtig versackt sah er aus. Ein Bild des Jammers. Deshalb und um ihm die Sache ein bißchen leichter zu machen, verzog sie sich nach unten.
    Dr. Wenzel blieb eine ganze Weile bei Richard. Das Gespräch dauerte gut fünfzehn Minuten, in der Zwischenzeit flickte Alma ihre Regenhaut, die linke Ärmelnaht war gerissen. Als Dr. Wenzel wieder herunten war, berichtete er, das Gespräch habe vor allem die eine Aussage gebracht, daß Richard sich den Kopf zerbreche, wie er zu Geld kommen könne. Richard wisse nicht mehr, daß er nur auf die Bank gehen und von seinem Konto abheben müsse, soviel er wolle.
    Dr. Wenzel sagte:
    – Es ist ein Jammer. Irgendwann verläßt einen die Kraft. Man möchte es nicht für möglich halten. Ein Minister a.D.
    – Adé, wie’s die Sieben Schwaben sagen. Auf Wiedersehen, servus.
    Zum Beispiel, wenn er auf Dienstreise gefahren war: Auf Wiedersehen, Richard. Auf Wiedersehen, Alma, baba.
    Dr. Wenzel erläuterte, daß Richard sehr wohl wisse, wie sehr er momentan mental im Eck sei (Richards eigene Worte). Richard befinde sich in einer Grauzone zwischen dem Ist-Zustand, den er verständlicherweise ablehne, und der Leistungsfähigkeit von früher, an die er sich in Schreckmomenten erinnere, von der er auch eine Vorstellung besitze, doch ohne daß daraus abzuleiten wäre, wie eine Besserung der Situation herbeigeführt werden kann. Er verfüge noch über die theoretische Kenntnis seiner einstigen Möglichkeiten, das bringe ihm die gegenwärtigen Mängel um so stärker zu Bewußtsein. Vermutlich deshalb habe er in erster Linie von den glorreichen alten Zeiten erzählt und sich über die Gegenwart nur beiläufig und voller Zorn und Verbitterung geäußert.
    – Am besten, Sie schaffen sich schön langsam ein dickes Fell an, riet Dr. Wenzel.
    – Das ist leicht gesagt, aber auf Dauer nicht immer möglich. Mit der Zeit greift das entschieden die Nerven an.
    – Sie dürfen es nicht allzu ernst nehmen.
    – Na, man wird sehen. Ich gebe mir jedenfalls Mühe.
    Dr. Wenzel verabschiedete sich. Sowie er das Haus verlassen hatte, kam Richard herunter, zum Weggehen gekleidet, mit zwei Anzugjacken übereinander. Die Jacken waren farblich aufeinander abgestimmt und machten Richard in den Schultern recht imposant. Er telefonierte mit Frau Ziehrer, seiner langjährigen Sekretärin, wann er sie besuchen dürfe.
    – Das ist hervorragend. Dann komme ich bis in einer Stunde.
    Alma, die mittlerweile mit allem rechnete, befürchtete, daß Richard Frau Ziehrer bitten werde, mit ihm eine Bank aufzusuchen. Also fragte sie ihn:
    – Wohin willst du?
    – Einen Besuch machen.
    – Aber dafür brauchst du keine zwei Anzugjacken.
    Es gelang ihr nach einigem Hin und Her, ihm die zweite Anzugjacke abzujagen. Da sagte er mürrisch:
    – Da du mich jetzt so lange aufgehalten hast, muß ich den Wagen nehmen.
    – Vergiß bitte nicht, daß auf deiner Kraftfahrzeugssteuerkarte die Steuermarken für den letzten und diesen Monat noch nicht geklebt sind.
    Seine Augen wurden wieder groß.
    – Auf deiner
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