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Es bleibt natürlich unter uns

Es bleibt natürlich unter uns

Titel: Es bleibt natürlich unter uns
Autoren: Horst Biernath
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drei Abteile weiter. Besten Dank.“ — Sie nickte ihm zu und wollte gehen, aber er hielt sie mit einer kleinen Bewegung auf.
    „Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mich zu Ihnen setze?“
    „Was sollte ich dagegen tun? Es steht Ihnen frei, sich Ihren Platz zu wählen.“ — Das klang reichlich kühl, aber es war auch keine Absage. Sie drehte sich um und ging endgültig in ihre Abteilnische zurück. Lothar Lockner griff nach Hut, Mantel und Koffer und folgte ihr nach kurzer Zeit. Sie schienen, soweit man die Nischen überblicken konnte, in dem ganzen Wagen die einzigen Reisenden zu sein. Es war ein altes Modell, die einzelnen Abteile waren durch hohe Wände voneinander getrennt. Lockner genierte sich ein wenig für seinen ramponierten Koffer und ließ ihn rasch auf dem Gepäckrost verschwinden. Den Mantel rollte er zusammen und warf ihn ebenfalls hinauf. Kaum, daß er ihr gegenüber Platz genommen hatte, schnippte sie ihm eine Zigarette aus einer frisch angebrochenen Packung entgegen. Er schielte nach ihren Händen, aber außer einem schön gefaßten Lapislazuli trug sie weder einen Ehe- noch einen Verlobungsring.
    „Haben Sie einen Autounfall gehabt, gnädiges Fräulein?“
    „Keinen Unfall, eine Panne“, antwortete sie, und fügte noch lakonischer hinzu: „Benzinpumpe.“
    „Waren Sie auf dem Weg nach Aldenberg?“
    „Eben nicht!“ antwortete sie sichtlich verstimmt, als sei ihr die Panne sehr gegen das Tagesprogramm gelaufen.
    „Und weshalb fahren Sie dann nicht in umgekehrter Richtung?“
    Sie kniff das linke Auge zu, weil der Rauch ihrer Zigarette oder weil seine Frage sie belästigte, aber in seine entschuldigende Handbewegung hinein — ,ich habe nicht die Absicht, indiskret zu sein’ — antwortete sie mit einem gewissen Trotz: „Weil der Mann, den ich treffen wollte, schon weg gewesen wäre.“
    „Pech...“, meinte er höflich bedauernd.
    „Mehr Pech als Sie ahnen!“ sagte sie grimmig und schien nahe daran zu sein, ihm ihr Herz auszuschütten, wie das bei Reisebekanntschaften so häufig der Fall zu sein pflegt, daß man wildfremden Leuten Dinge anvertraut, die man daheim nicht seinen intimsten Bekannten erzählen würde. Aber im letzten Moment bremste sie ab, und ihre Frage verriet ihm, weshalb sie plötzlich stockte: „Sie fahren auch nach Aldenberg? — Aber Sie sind kein Aldenberger, nicht wahr?“
    „Weshalb nicht?“
    „Komische Frage, — weil ich Sie sonst kennen müßte.“
    „Kennt denn in Aldenberg jeder jeden?“
    „Ein Dorf!“ sagte sie böse und fast verächtlich.
    „Sie scheinen Aldenberg nicht zu lieben“, grinste er.
    „Es steht mir bis hier!“ rief sie heftig und hob die Hand flach unter ihre kleine Nase. Zum erstenmal wagte er es, ihr voll ins Gesicht zu sehen. Sie war nicht gerade eine blendende Schönheit, dazu war sie zu robust, aber es war etwas Strahlendes an ihr, was sie außerordentlich anziehend machte. In ihren Augen sprühten grüngoldene Funken, ihre Zähne blitzten zwischen den schön gekurvten Lippen, und die bräunliche Haut schien sich unter der Fülle ihrer Lebenskraft zu spannen. Alles an ihr war fest und straff, ihre Arme, die Brust, deren Spitzen der Pullover ahnen ließ, die Schenkel, die sich in dem Tweedrock abzeichneten...
    „Sie machen mir ja nicht gerade Mut“, sagte er ein wenig verwirrt und zwang sich, den Blick in eine neutrale Richtung zu lenken.
    „Weshalb soll ich Ihnen Mut machen?“
    „Weil es meine Aufgabe sein wird, mich in den nächsten Jahren ziemlich intensiv mit Aldenberg und den Aldenbergern zu beschäftigen.“
    Sie sah ihn fragend an; diese etwas rätselhafte Umschreibung seiner zukünftigen Tätigkeit schien ihr nicht viel zu sagen. Und endlich konnte er auspacken, was er in den letzten Tagen am liebsten jedem Menschen, der ihm begegnete, entgegengerufen hätte: „Ich trete am fünfzehnten März als Redakteur in den ,Aldenberger Anzeiger’ ein!“ — Aber wenn er geglaubt hatte, damit bei ihr Eindruck zu machen, so täuschte er sich gewaltig.
    „O mei’, o mei’...!“ war alles, was sie darauf zu erwidern hatte, und daß sie von ihrem oberbayerisch gefärbten Hochdeutsch in ihre angeborene und unverfälschte Mundart fiel, wirkte auf ihn wie eine eisige Dusche. Er errötete und ärgerte sich so heftig, daß ihm das Blut in die Stirn stieg.
    „Was haben Sie daran auszusetzen?“ fragte er verletzt.
    „Wir haben es nicht sehr mit den Zeitungsschm…“ im allerletzten Moment fing sie sich ab und sagte
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