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Erwartung: Der Marco-Effekt Der fünfte Fall für Carl Mørck, Sonderdezernat Q (German Edition)

Erwartung: Der Marco-Effekt Der fünfte Fall für Carl Mørck, Sonderdezernat Q (German Edition)

Titel: Erwartung: Der Marco-Effekt Der fünfte Fall für Carl Mørck, Sonderdezernat Q (German Edition)
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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eigentliche Skandal trug Eriksens Stempel.
    Carl übergab Rose den Dokumentenstapel. »Wir kümmern uns später darum, ja?«, sagte er und deutete auf die letzte Plastikdose.
    »Was ist darin?«
    »Nichts, was jetzt noch wichtig ist, schätze ich«, antwortete Tilde. »Das ist Williams Testament.«
    »Sein Testament?«, flüsterte Malene.
    Tilde nickte. »Er wollte, dass wir alles bekommen, Mama. Sein Geld, das Haus, alles.«
    Jeder der Anwesenden konnte sehen, wie Malenes Gesichtsausdruck sich jäh wandelte: Alle liebevollen Gedanken an ihren Lebensgefährten, die sie in den letzten Jahren tief in sich vergraben hatte, kehrten mit aller Macht an die Oberfläche zurück. Sie war verwirrt, traurig und wütend zugleich.
    »Du hast recht, Tilde. Das Testament wird uns nicht mehr weiterhelfen«, sagte sie mit tränenerstickter Stimme. »Man wird Williams Vermögen konfiszieren.« Sie ließ den Kopf sinken und weinte.
    Marco ging zu Carl und flüsterte ihm etwas zu.
    Es war ohne Zweifel ein ausgesprochen kreativer junger Mann, den er da vor sich hatte. Schließlich nickte Carl.
    »Okay, Malene«, sagte er. »Ich muss Sie nun bitten, uns das Notizbuch samt Anlagen auszuhändigen. Seien Sie doch bitte so nett und geben Sie die Sachen Assad.«
    Tilde trat zu ihrer Mutter und drückte sie kurz. Dann wand sie ihr behutsam das Notizbuch aus der Hand, sammelte die Kontoauszüge ein und überreichte alles Assad.
    Carl blickte sich suchend um und deutete schließlich auf einen Haufen Ziegelsteine am Ende des Fahrradschuppens.
    »Dort drüben wäre es gut, Assad.«
    Der schaute Carl entgeistert an. Aber als er sah, dass Carl ein Päckchen Zigaretten aus der Tasche holte und ein Feuerzeug, fiel der Groschen.
    »Hoppla«, sagte Carl, als er den Stoß Papiere mit dem Notizbuch obenauf anzündete. »Da passiert mir wohl gerade ein kleines Missgeschick. Rose, hast du vielleicht Wasser?«
    Er warf ihr einen langen, eindringlichen Blick zu, bis auch sie schließlich kapierte.
    »Klar«, sagte sie, nachdem ihr innerer Kampf ausgefochten war. »Wir haben dort unten doch den See. Aber ob wir das rechtzeitig schaffen?«
    Auf dem Weg zum Präsidium war Marco sehr schweigsam. Carl glaubte zu ahnen, was in ihm vorging.
    Für den Jungen musste es der schlimmste und gleichzeitig der beste Tag seines Lebens gewesen sein.
    »Woran denkst du, Marco?«
    Der schüttelte nur den Kopf.
    »Assad, warum will Marco nicht reden?«, fragte Carl in Richtung Rücksitz.
    »Könnte es nicht sein, dass er gerade versucht, einen Überblick über seine Situation zu gewinnen?«
    »Noch mal, Marco: Woran denkst du?«
    »Dass nichts so wird, wie ich es mir erträumt habe. Ich komme in ein Abschiebelager und werde ausgewiesen.«
    Carl runzelte die Stirn und warf einen ernsten Blick in den Rückspiegel. Rose und Assad hatten sich so hingesetzt, dass sie sich alle drei anschauen konnten. Sie wirkten, als hätte Marcos Gemütsverfassung auf sie abgefärbt.
    »Das ist noch nicht sicher, Marco«, versuchte Carl, den Jungen zu trösten. Ein billiger Trost, wie ihm sehr wohl bewusst war, denn natürlich pflegte der Staat genau so mit illegalen Einwanderern zu verfahren.
    »Wovon hast du denn geträumt?«
    Der Junge seufzte. »Ich wäre gern so wie alle hier. Ich möchte zur Schule gehen und studieren und allein zurechtkommen.«
    Das war nicht zu viel verlangt, und trotzdem.
    »Du bist erst fünfzehn, Marco. Da kannst du noch nicht alleine zurechtkommen.«
    Der Junge wandte sich ihm zu. Natürlich kann ich, schienen seine hochgezogenen Augenbrauen zu sagen.
    »Wo würdest du denn gern leben?«
    »Irgendwo. Wo man mich in Ruhe lässt.«
    »Und du glaubst, das könnte funktionieren? Ohne Rückfall in die Kriminalität?«
    »Ja, das weiß ich.«
    Carl starrte in den zähflüssigen Verkehr am Bispeengbuen. Tausende Menschen liefen in dem Lichtermeer herum, die den Anforderungen der Gesellschaft nicht gewachsen waren. Wieso sollte es dieser Junge hier sein?
    »Warum solltest du allein zurechtkommen, Marco, wo es so vielen anderen in deinem Alter nicht gelingt?«
    »Weil ich es will.«
    Wieder schaute Carl in den Rückspiegel. Erstaunlich, wie passiv die beiden dort hinten waren. Das hier war doch auch für ihn wahrhaftig keine einfache Situation.
    Carl atmete tief durch. Er sah Malene Kristoffersens Gesicht vor sich, als sie sich verabschiedet hatten. Sie hielt William Starks Testament in der Hand, das ihr Leben und das ihrer Tochter in neue Bahnen lenken würde. Dank eines kleinen
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