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Eros und Evolution

Eros und Evolution

Titel: Eros und Evolution
Autoren: Matt Ridley
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natürliche Selektion gestaltet worden: Wespen mit der ererbten Neigung, ihr Sperma zurückzuhalten, wenn sie ihr Opfer bereits befallen vorfanden, hatten mehr erfolgreiche Nachkommen als solche, die das nicht taten. In derselben Weise also, in der die natürliche Selektion ein Auge zum »Zweck« des Sehens »geplant« hat, hat sie auch ein Verhalten erzeugt, das »geplant« zu sein scheint, den Bedürfnissen einer Wespe zu genügen. 10 Diese »machtvolle Illusion von vorsätzlicher Planung« 11 ist eine so grundlegende Vorstellung und doch so einfach, daß es kaum nötig scheint, sie zu wiederholen. Richard Dawkins hat sie in seinem wunderbaren Buch The Blind Watchmaker ausführlich untersucht und erklärt. 12 Im Rahmen meines Buches werde ich von der Hypothese ausgehen, daß ein Verhaltensmuster, ein genetischer Mechanismus oder eine Geisteshaltung um so stärker auf eine bestimmte Funktion zugeschnitten sind, je höher der Grad ihrer jeweiligen Komplexität ist. So wie uns die Komplexität des Auges zwingend zu dem Schluß veranlaßt, daß seine Funktion das Sehen ist, so läßt die Komplexität sexueller Anziehungskraft darauf schließen, daß die Funktion der Sexualität der genetische Austausch ist.
    Mit anderen Worten: Ich glaube, daß es immer nützlich ist zu fragen:
    »Warum ist etwas so, wie es ist?« Das, was die Wissenschaft hauptsächlich ausmacht, ist das trockene Geschäft, herauszufinden, wie das Universum funktioniert, wie die Sonne scheint oder wie Pflanzen wachsen.
    Die meisten Wissenschaftler führen ein Leben, das voller »Wie«-Fragen ist, nicht voller »Warum«-Fragen. Bedenken Sie jedoch einen Moment lang den Unterschied zwischen der Frage »Warum verliebt sich ein Mann?« und der Frage »Wie verliebt sich ein Mann?« Die Antwort auf die zweite Frage wird sich um rein technische Dinge drehen. Männer verlieben sich, weil Hormone auf die Gehirnzellen einwirken und umgekehrt – oder aufgrund eines ähnlichen physiologischen Effekts. Eines schönen Tages wird irgendein Wissenschaftler ganz genau wissen, wie das Gehirn eines jungen Mannes plötzlich von dem Bild einer ganz bestimmten jungen Frau besessen sein kann, Molekül für Molekül. Aber die »Warum«-Frage erscheint mir interessanter, denn die Antwort darauf berührt den Kern dessen, was die menschliche Natur zu dem gemacht hat, was sie ist.
    Warum hat sich dieser Mann in diese Frau verliebt? Weil sie hübsch ist.
    Warum spielt das Aussehen dabei eine Rolle?
    Weil Menschen eine im großen und ganzen monogame Spezies darstellen, so daß Männer in bezug auf ihre Gefährtinnen wählerisch sind (Schimpansenmännchen hingegen nicht); gutes Aussehen ist ein Zeichen von Jugend und Gesundheit, welche ihrerseits wieder Zeichen von Fruchtbarkeit sind.
    Warum spielt die Fruchtbarkeit seiner Partnerin für den Mann eine Rolle?
    Weil seine Gene andernfalls von den Genen der Männer verdrängt würden, für die dieser Punkt wichtig ist.
    Was kümmert ihn das?
    Das tut es überhaupt nicht, aber seine Gene verhalten sich so, als kümmerte es sie. Wer eine unfruchtbare Partnerin wählt, hinterläßt keine Nachkommen. Somit stammt jeder von Männern ab, die fruchtbare Frauen bevorzugten, und jeder erbt von seinen Vorfahren dieselbe Vorliebe.
    Warum ist dieser Mann Sklave seiner Gene? Ist er nicht. Er hat einen freien Willen.
    Aber Sie haben doch gerade gesagt, er ist verliebt, weil das für seine Gene von Vorteil ist.
    Es steht ihm frei, das Diktat seiner Gene zu mißachten.
    Weshalb wollen seine Gene überhaupt mit ihren Genen zusammenkommen?
    Weil das die einzige Möglichkeit für sie ist, in die nächste Generation zu gelangen; beim Menschen gibt es zwei Geschlechter, die sich nur fortpflanzen können, wenn sie ihre Gene miteinander vermischen.
    Warum gibt es beim Menschen zwei Geschlechter?
    Weil im Falle beweglicher Organismen Hermaphroditen weniger gut geeignet sind, zwei Dinge zur gleichen Zeit zu tun, als Männer und Frauen, die jeweils nur die eine oder die andere Sache tun. Deshalb wurden hermaphroditische Urtiere von Urtieren verdrängt, die sich sexuell fortpflanzten.
    Warum aber nur zwei Geschlechter?
    Weil das die einzige Möglichkeit war, einen lange andauernden genetischen Austausch zwischen verschiedenen Gensätzen zu unterhalten.
    Was?
    Ich erkläre das später.
    Aber warum braucht sie ihn? Warum machen ihre Gene nicht einfach die Babys allein, ohne auf seinen Beitrag zu warten? Von allen Warum-Fragen ist letztere die grundlegendste, und
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