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Eros und Evolution

Eros und Evolution

Titel: Eros und Evolution
Autoren: Matt Ridley
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zwischen einzelnen Individuen verantwortlich, sie stellt aber gleichzeitig auch sicher, daß diese Unterschiede niemals allzuweit von einem goldenen Mittelmaß für die gesamte Spezies entfernt sind.
    Eine einfache Rechnung macht diesen Gedanken deutlich. Jeder Mensch hat zwei Eltern, vier Großeltern, acht Urgroßeltern, sechzehn Ururgroßeltern und so weiter. Vor nur dreißig Generationen – ungefähr im Jahre 1066 { * } – hatten Sie mehr als eine Milliarde direkter Vorfahren in derselben Generation (2 30 ). Da zu jener Zeit auf der ganzen Welt weniger als eine Milliarde Menschen lebte, wurden viele dieser Menschen zwei- oder dreimal zu Ihren Vorfahren. Wenn Sie wie ich britischer Abstammung sind, haben Sie eine reelle Chance, daß nahezu alle der im Jahre 1066 lebenden Briten zu ihren Vorfahren zählen, unter anderem König Harald, Wilhelm der Eroberer, irgendein Dienstmädchen vom Lande und der geringste Lehnsmann (alle braven Mönche und Nonnen allerdings ausgenommen). Damit werden Sie mehrfach zu einem entfernten Cousin aller anderen heute lebenden Briten – mit Ausnahme der Kinder kürzlich eingewanderter Personen. Alle Briten stammen von der gleichen Handvoll Leute ab, die vor nur dreißig Generationen gelebt haben. Kein Wunder, daß bei den Menschen (und jeder anderen sich sexuell fortpflanzenden Art) eine gewisse Gleichförmigkeit besteht. Die Fortpflanzung erzwingt dies durch ihr immerwährendes Beharren auf dem gemeinsamen Besitz von Genen.
    Geht man noch ein wenig weiter zurück, gelangt man bald an den Punkt, an dem die Rassen verschmelzen. Vor wenig mehr als dreitausend Generationen lebten alle unsere Vorfahren in Afrika, ein paar Millionen einfacher Jäger und Sammler, in Physiologie und Psychologie vom modernen Menschen kaum zu unterscheiden. 7 Die Unterschiede zwischen den Rassen sind daher nur äußerlich augenfällig. Nur ganz wenige Gene bestimmen die Hautfarbe, Physiognomie oder den Körperbau. Die genetischen Unterschiede zwischen zwei beliebigen Menschen derselben Rasse können sehr viel größer sein als zwischen zwei Angehörigen verschiedener Rassen. Einer Schätzung zufolge können lediglich sieben Prozent der genetischen Unterschiede zwischen zwei Individuen der Tatsache zugerechnet werden, daß sie verschiedenen Rassen angehören; fünfundachtzig Prozent der genetischen Unterschiede lassen sich auf rein individuelle Variabilität zurückführen (der Rest hat mit Stammeszugehörigkeit oder Nationalität zu tun). Mit den Worten zweier Wissenschaftler: »Der durchschnittliche genetische Unterschied zwischen einem peruanischen Bauern und seinem Nachbarn und der zwischen einem Schweizer Dorfbewohner und seinem Nachbarn ist zwölfmal so groß wie der Unterschied zwischen dem ›Durchschnittsgenotyp‹ der schweizerischen Bevölkerung und dem ›Durchschnittsgenotyp‹ der peruanischen Bevölkerung.« 8
    Das ist nicht komplizierter zu erklären als ein Kartenspiel: In jedem Stück gibt es Asse und Könige und Zweien und Dreien. Ein vom Glück begünstigter Spieler erhält ein gutes Blatt, doch keine seiner Karten ist einzigartig. Im gleichen Raum sitzen noch andere Spieler mit derselben Art von Karten in der Hand. Aber selbst mit nur dreizehn verschiedenen Kartentypen ist jedes Blatt anders, und manchmal ist ein Blatt ungewöhnlich viel besser als die anderen. Sexualität ist nur der Geber, der von einem Stapel genetischer Karten, die allesamt der ganzen Art zur Verfügung stehen, ein jeweils einzigartiges Blatt für jeden Spieler ausgibt.
    Die Einzigartigkeit von Individuen ist aber nur ein Gesichtspunkt dessen, was Sexualität für die menschliche Natur bedeutet. Ein weiterer Gesichtspunkt ist die Tatsache, daß es genaugenommen zwei menschliche Naturen gibt: eine weibliche und eine männliche. Die beiden Geschlechtern zugrundeliegende Asymmetrie führt unausweichlich zu einer unterschiedlichen Natur beider Geschlechter, einer Natur, die der jeweiligen Rolle beider Geschlechter angepaßt ist. So konkurrieren zum Beispiel in aller Regel eher Männer um Frauen als umgekehrt. Es gibt gute evolutionshistorische Gründe dafür und auch klare evolutionsgeschichtliche Konsequenzen: Männer sind zum Beispiel aggressiver als Frauen.
    Ein dritter Gesichtspunkt der Sexualität besteht schließlich darin, daß jeder andere heute lebende Mensch eine potentielle Genquelle für Ihre Kinder ist. Wir stammen ausschließlich von Menschen ab, die nach den besten Genen gesucht haben, ein Verhalten, das wir
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