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Ermittlerpaar Moretti und Roland 02 - Suendenspiel

Ermittlerpaar Moretti und Roland 02 - Suendenspiel

Titel: Ermittlerpaar Moretti und Roland 02 - Suendenspiel
Autoren: Therese Philipsen
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präsentieren, und dann haben Sie sich doch nicht getraut?«, fragte Miroslav.
    Es war lange still im Raum. Doktor Andersen biss sich auf die Lippe. Er sah keinen von ihnen an, sein Blick starrte leer vor sich hin. Eine lebenswichtige Entscheidung nahm in seinem Kopf Gestalt an. Er seufzte wieder und sagte, dass das eine lange Geschichte sei.
    »Wir haben viel Zeit.«
    Der Arzt lehnte sich zurück und strich sich mit einer Hand über den kahl rasierten Schädel.
    »Das Ganze fing mit Safets Mutter an«, sagte er und fügte hinzu, dass sie bosnische Muslima gewesen sei. »Esad war Serbe. Beide stammten aus Srebrenica. Sie war Krankenschwester und er Arzt in dem lokalen Krankenhaus. Sie verliebten sich ineinander. Das war, bevor man überhaupt darüber nachdachte, welche Nationalität der andere hatte. Es war gleichgültig, ob man Serbe, Kroate oder Bosnier war. Sie lebten Seite an Seite … bis der Krieg kam.«
    »Wie wir gehört haben, ist sie vergewaltigt worden«, sagte Liv mit ruhiger Stimme.
    Der Arzt nickte.
    »Kurz nach Kriegsausbruch ist eine Gruppe vollkommen besoffener Serben aus der Stadt in ihr Haus eingedrungen. Sie war alleine, Esad hatte Nachtschicht im Krankenhaus. Bereits kurz nach Ausbruch des Krieges war in der Stadt eine tiefe Kluft zwischen Serben und Moslems entstanden. Die Serben fühlten sich schnell als die Herrscher und wollten die Moslems ausrotten. Sie ist die ganze Nacht über in ihrem eigenen Haus von vier Männern vergewaltigt worden.«
    »Diesen Teil kennen wir bereits«, sagte Miroslav, während der Arzt ihn unterbrach und sagte, dass sie den Rest noch nicht gehört hätten.
    »Doch dass sie sich nicht zu Esad bekennen wollte, weil er auch Serbe war«, versuchte sich Miroslav.
    Doktor Andersen schüttelte den Kopf.
    »Das war es nicht.«
    »Was denn dann?«
    »Safet wurde geboren, und beide wussten, dass er nicht Esads Sohn war. Sie beschlossen aber, dass das keine Rolle spielte, und Esad nahm ihn wie seinen eigenen Sohn an. Die drei versuchten, die Vergangenheit hinter sich zu lassen und zu vergessen, was geschehen war. Lange Zeit schafften sie es tatsächlich, so zu tun, als sei nichts geschehen. In ihrem Land herrschte Krieg, und rundherum passierten Ungeheuerlichkeiten. Sie waren nicht die Einzigen, die von einer solchen Tragödie betroffen waren. Aber es war hart für Esad. Eines Tages machte er einen Fehler, als er mit einigen Freunden und Kollegen im Café saß. Er trank zu viel und erzählte ihnen, dass Safets Mutter von betrunkenen Serben vergewaltigt worden und der Junge nicht sein richtiger Sohn war. Alle Anwesenden waren Moslems. Anfänglich geschah nichts, aber nach und nach, je mehr sich der Konflikt zuspitzte und die Gerüchte über eine baldige serbische Invasion konkreter wurden, erwuchs ein Hass gegen die Serben und alle, die sich mit den Serben abgaben. Ein paar Männer beschlossen, Safets Mutter aufzusuchen …«
    Der Arzt schloss die Augen.
    »Sie haben sie umgebracht … weil sie einen Nachkommen von einem Serben zur Welt gebracht hat und weil sie mit dem Feind im Bett war. Als Esad aus dem Krankenhaus kam, um sie und Safet zu holen und zusammen vor der serbischen Miliz zu fliehen, war es zu spät. Sie lag blutend auf dem Boden. Warum sie Safets Leben verschont haben, das berichtet die Geschichte nicht, vielleicht wurden sie gestört, vielleicht hatte er sich versteckt, wir wissen es nicht. Aber in diesem Augenblick wusste Esad, dass er und der Junge ihre Identität ändern mussten, wenn sie überleben wollten. Er wusste genau, dass nur er das Leben des Jungen retten konnte, und er hatte das Gefühl, ihm das schuldig zu sein, schließlich war er für den Tod seiner Mutter verantwortlich.«
    »Das erklärt nicht …«, unterbrach ihn Miroslav.
    »Lassen Sie mich bitte fertig erzählen«, kam es böse von dem Arzt, der erklärte, dass sich Esad mit den Jahren, die vergingen, nicht vergeben konnte. »Hätte er sich nicht verplappert, hätte niemand etwas erfahren. Außerdem sah Safet seiner Mutter immer ähnlicher. Jeden Tag erinnerte ihn sein Gesicht an das, was er getan hatte. Als Safet zehn Jahre alt war, wollte er die Wahrheit erfahren, und Esad erzählte ihm alles.«
    »Wie hat Safet darauf reagiert?«
    »Er wurde wütend. Es war seine Mutter. Esad war Schuld am Tod seiner Mutter. Safet sagte ihm, dass er ihm niemals vergeben würde. Sieben Jahre lang sprach er kaum mit ihm, ignorierte alles, was Esad sagte, und kam höchstens mit einer höhnischen
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