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Ermittler in Weiß - Tote sagen aus

Ermittler in Weiß - Tote sagen aus

Titel: Ermittler in Weiß - Tote sagen aus
Autoren: Wolfgan Dürwald
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Sanitätssoldaten und Haft in der Festung Torgau - das Letztere nach Angaben des Dr. v. W. Nach dem Ende des Krieges führte Dr. v. W. seine Verurteilung gegenüber verschiedenen Dienststellen auf »Feindbegünstigung und Wehrkraftzersetzung« zurück. Auf diese Weise erlangte er für kurze Zeit die Anerkennung als »Opfer des Faschismus«, eine Charakteristik, die ihm zunächst in der sowjetischen Besatzungszone viele Wege für seine berufliche Entwicklung eröffnete. Um seinen Widerstand gegen den Nationalsozialismus zu dokumentieren, legte er - offenbar gefälschte - Fotokopien vor, in denen er unter anderem als »Vorläufer des Vierten Reiches« bezeichnet und der »Zersetzung der Wehrkraft, Feindbegünstigung und Sabotage« beschuldigt wurde. Im Gegensatz zu der Zeit vor und während des Krieges kann der Lebenslauf des Dr. v. W. nach Kriegsende anhand der Akten der Staatsanwaltschaft einigermaßen vollständig rekonstruiert werden. Daraus ist zu entnehmen, dass er unmittelbar nach dem Zusammenbruch des deutschen Reiches 1945 in Leipzig eine Praxis eröffnete. Schon bald untersagte ihm das Gesundheitsamt der Stadt, ärztliche Verrichtungen und insbesondere chirurgische Eingriffe in Räumen vorzunehmen, die den primitivsten Anforderungen, die an ärztliche Praxisräume zu stellen sind, in keiner Weise entsprachen. Es war nämlich bekannt geworden, dass er vor allem in den späten Abendstunden vorwiegend Frauen in seinem kleinen Wohnzimmer behandelte, obwohl das Zimmer über keinerlei medizinische Ausstattung verfügte. Allerdings nahm es Dr. v. W. mit solchen »Lappalien«, wie er sich ausdrückte, nicht so genau. Sauberkeit und Sterilität waren für ihn Nebensache. So nahm er in dem Wohnzimmer auch kleinere chirurgische Eingriffe vor, ohne die notwendigen hygienischen Voraussetzungen zu haben. Nach Aussagen seiner Patienten wusch er sich zwar die Hände, fasste aber unmittelbar danach alle möglichen unsterilen Gegenstände an und fuhr sich vor der Operation durch die Haare. Die Instrumente machten auch keinen sauberen Eindruck. Beim Verabfolgen einer Spritze in das Gesäß einer Patientin störte es ihn nicht im Geringsten, dass zwei fremde Männer im Zimmer waren. Der Patientin hingegen war es ausgesprochen peinlich. Als im Anschluss an diese Injektion hohes Fieber bei dem jungen Mädchen auftrat, reagierte er erst nach drei Tagen auf die dringende Anforderung eines Hausbesuches. Am dritten Tag kam er und brachte seinen Hund mit. Mit dem spielte er, bevor er die Patientin untersuchte. Obwohl er dem Hund mehrfach ins Maul gefasst hatte, hielt er es nicht für nötig, sich vor einer vaginalen Untersuchung die Hände zu waschen. Als der Vater des jungen Mädchens ihn darauf aufmerksam machte, dass seine Tochter noch Jungfrau sei, meinte er nur: »Soll ich vielleicht warten, bis einer kommt und mit ihr schläft?« Als in den nächsten Tagen das Fieber weiter stieg und Temperaturen über 40 °C auftraten, entschloss er sich, in der Wohnung der Patientin einen Abszess in der Gesäßgegend operativ zu eröffnen. Die Operation nahm er zum Erstaunen der anwesenden Eltern im Straßenanzug vor, ohne sich die Hände zu waschen und ohne Ringe und Armbanduhr abzulegen. Nicht einmal die Hemdsärmel streifte er hoch. Die Krawatte geriet ihm mehrmals in das Operationsgebiet und wurde mit Blut beschmiert, was ihm aber nur einen leichten Fluch entlockte. Die wenigen bei der Operation eingesetzten Instrumente holte er aus einer alten Knäckebrotpackung und benutzte sie, ohne sie vorher auszukochen oder abzuwaschen. Eben sowenig wurden Spritze und Kanüle, die er zur örtlichen Betäubung benutzte, ausgekocht. Die Kanülen steckten ohne irgendwelchen Schutz in einem Stück Pappe. Andere Patienten berichteten, dass er ein und dieselbe Spritze für mehrere Patienten benutzte, ohne sie zwischendurch zu reinigen. Wie aus den Unterlagen hervorgeht, behandelte er in seiner Wohnung besonders gern junge Mädchen und führte vaginale Untersuchungen durch, auch wenn sie ihn wegen ganz anderer Beschwerden aufsuchten. Aus einer Medikamentenaufstellung aus dieser Zeit geht hervor, dass er einen sehr hohen Verbrauch von Pervitin sowohl in Form von Tabletten als auch in Form von Ampullen hatte. Ebenso wurden Opiate von ihm in relativ großen Mengen verordnet. In diese Periode fällt Mitte Mai 1945 auch die Beobachtung eines Leipziger Professors der medizinischen Fakultät, dass ein Mann in der Uniform eines Stabsarztes der faschistischen
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