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Erlösung

Erlösung

Titel: Erlösung
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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Armen vor sich hin. Ein Leben in Einsamkeit war eine Sache. Aber nicht zu wissen, wofür man diesen Preis bezahlte, war etwas ganz anderes. Doch die Chance, einen Mann wie den ihren des Ehebruchs zu überführen, war minimal. Das wusste sie, obwohl sie es nie versucht hatte. Sein Revier war groß, und er war ein vorsichtiger Mensch, alles in ihrem gemeinsamen Leben bewies das. Pensionen, Versicherungen, Fenster und Türen, Koffer und Gepäck, alles wurde zweifach gecheckt. Auf dem Tisch herrschte immer Ordnung, nie lagen Zettel oder Quittungen in Taschen oder Schubladen herum. Er war ein Mann, der nicht viele Spuren hinterließ. Selbst sein Geruch hing kaum mehr als wenige Sekunden in der Luft, nachdem er ein Zimmer verlassen hatte. Wie sollte sie ihm jemals eine Affäre nachweisen? Es sei denn, sie setzte einen Privatdetektiv auf ihn an. Aber wovon sollte sie den bezahlen?
    Sie schob die Unterlippe vor und pustete sich ganz langsam warme Luft ins Gesicht. Das war eine Angewohnheit von ihr, das hatte sie schon immer gemacht, wenn sie angespannt war oder eine wichtige Entscheidung treffen musste. Damals, beim Kauf ihres Konfirmationskleides, vor den höchsten Hindernissen beim Springreiten und bevor sie ihrem Mann das Jawort gegeben hatte. Manchmal sogar, wenn sie einfach nur auf die Straße ging, um zu sehen, ob sich das Leben in dem milden Licht dort draußen anders anfühlte.

3
    Rundheraus gesagt: Der ebenso kräftige wie gutmütige Sergeant David Bell machte sich gern einen lauen Lenz. Saß da und sah den Wellen zu, die gegen die Klippen donnerten. Ganz oben am äußersten Zipfel Schottlands, in John O’Groats, wo die Sonne nur halb so lange schien, aber doppelt so schön. Hier war David geboren und hier wollte er sterben – wenn es mal so weit war.
    Die raue See war Davids Element. Warum also sollte er seine Zeit sechzehn Meilen weiter südlich vertun, in einem Büro auf der Polizeiwache in der Bankhead Road in Wick? Nein, diese verschlafene Hafenstadt bedeutete ihm nichts, und daraus machte er auch keinen Hehl.
    Deshalb schickten seine Vorgesetzten auch ihn los, wenn es irgendwo in den kleinen Orten im Norden Ärger gab. Dann fuhr er mit dem Streifenwagen vor, drohte den testosterongesteuerten Typen damit, einen Officer aus Inverness herbeizurufen, und schon herrschte wieder Ruhe. Da oben wollte man keine Fremden, die sollten ihre Nasen nicht in die Angelegenheiten anderer Leute stecken. Dann schon lieber Pferdepisse im Bier, in ihrem guten alten Orkney Skull Splitter. Wegen der Fähre zu den Orkneys hatten sie nun wirklich oft genug Durchreisende.
    Wenn sich die Gemüter wieder beruhigt hatten, warteten die Wellen auf ihn, und wenn es etwas gab, wofür sich Sergeant Bell reichlich Zeit nahm, dann für sie.
    David Bells Liebe zum Meer war legendär – und ohne sie wäre die Flasche sonst wo gelandet. Aber da dieser Sergeant nun mal in seiner frisch gebügelten Uniform auf dem Felsensaß, den Wind im Haar und in der Uniformmütze, konnte man sie ebenso gut ihm geben.
    Und das tat man dann auch.
    Die Flasche hatte in den Maschen des Netzes festgesteckt und schwach geblinkt, als auf dem Trawler der Fang eingeholt wurde. Vom Meerwasser war das Glas im Laufe der Zeit matt geworden. Der jüngste Mann an Bord des Kutters ›BrewDog‹ hatte sofort gesehen, dass es keine gewöhnliche Flasche war.
    »Schmeiß sie wieder ins Meer, Seamus!«, rief der Skipper, als er den Zettel in der Flasche entdeckte. »Solche Flaschen bringen Unglück. Bei uns heißen die Flaschenpest. Der Teufel steckt in der Tinte und wartet nur darauf, freigelassen zu werden. Du kennst doch die Geschichten!«
    Aber der junge Seamus kannte die Geschichten nicht und beschloss, David Bell die Flasche zu geben.
     
    Als der Sergeant endlich nach Wick zurückkam, hatte einer der ortsansässigen Alkis schon geraume Zeit in den Büroräumen der Wache gewütet, und die Kollegen hatten kaum noch Kraft, den Idioten auf den Fußboden zu pressen. Und so flog die Flasche aus David Bells Jackentasche, als er die Uniformjacke beiseitewarf, um die Kollegen zu unterstützen. Er hob die Flasche nur rasch auf und stellte sie auf die Fensterbank. Dann pflanzte er sich dem Besoffenen auf den Brustkorb, um da mal ein bisschen Luft rauszupressen. Aber Bell hatte nicht damit gerechnet, dass er es hier mit einem waschechten Wikingernachfahren aus Caithness zu tun hatte, der ihm unverhofft einen kräftigen Stoß in die Weichteile versetzte. Bells Glocken gerieten dabei
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