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Erloest

Erloest

Titel: Erloest
Autoren: Kathryn Taylor
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Watkins doch gar nicht.«
    »Ich denke, er hat trotzdem Zeit für uns«, sagt sie mit einem Augenzwinkern, das Handy schon am Ohr, und ich lächle unwillkürlich, weil sie so selbstbewusst klingt. Und zu Recht, denn so unwahrscheinlich ist es nicht, dass der extrem ausgebuchte Privatdozent auch außerhalb der Sprechzeiten seine Praxis öffnet, wenn ihn die Tochter des Earl of Lockwood darum bittet. Jonathans Familie ist einflussreich und sehr gut vernetzt, und ich habe schon oft erlebt, dass bei ihnen deshalb Dinge möglich waren, die für Normalsterbliche nicht gehen. Und auch, wenn ich sonst wirklich keine Extrawurst haben muss, wäre es mir im Moment sehr recht, wenn das klappen würde mit einem schnellen Termin. Ich brauche nämlich Gewissheit.
    Vielleicht war der Test ja falsch, denke ich, als wir eine Viertelstunde später in Richtung Chelsea aufbrechen, wo die Praxis von Dr. Watkins liegt. Ich klammere mich regelrecht an diesen Gedanken, wiederhole ihn wie ein Mantra. Denn die Veränderungen, die auf mich zukommen, wenn er das Ergebnis tatsächlich korrekt angezeigt hat, machen mir plötzlich sehr große Angst.

2
    »Grace?« Jonathan steckt den Kopf durch die Schlafzimmertür und sieht mich verwundert an, als er mich im Bett entdeckt. »Was machst du denn schon hier oben?«
    »Ich muss die Unterlagen zu dem Wentworth-Projekt noch mal durchgehen, und ich dachte, ich kann es mir dabei auch ein bisschen gemütlich machen«, erkläre ich ihm. Mein Lächeln ist ein wenig unsicher, das merke ich selbst, obwohl mein Herz bei seinem Anblick wie immer schneller schlägt.
    Ich hatte ihn auf der Treppe schon gehört, aber anders als sonst fühle ich mich heute befangen. Deshalb bin ich sitzen geblieben und habe auf ihn gewartet, anstatt ihm wie üblich entgegenzugehen, um ihn zu begrüßen. Wäre auch schwierig gewesen aufzustehen, denn ich habe die Papiere, die ich aus dem Büro mitgenommen hatte, so großflächig um mich herum verteilt, dass ich mich eigentlich gar nicht rühren kann, ohne alles durcheinanderzuwerfen.
    Mit einem irritierten Stirnrunzeln betritt Jonathan das Schlafzimmer und kommt zu mir.
    »Du arbeitest doch sonst nie im Bett«, wundert er sich, und ich schlucke, hin- und hergerissen zwischen dem Bedürfnis, ihm die Neuigkeit gleich zu sagen, und der Angst, die mich davon abhält.
    »Irgendwann ist immer das erste Mal«, erwidere ich und bin mir der Doppeldeutigkeit dieser Aussage bewusst.
    Der Test lag nämlich nicht falsch, Dr. Watkins hat das Ergebnis bestätigt: Ich bin tatsächlich schwanger, in der siebten Woche. Er hat einen Ultraschall gemacht und mich genau untersucht und dann erklärt, dass alles genau so ist, wie es zu diesem Zeitpunkt der Schwangerschaft sein sollte – was mich, obwohl ich immer noch ziemlich erschüttert bin, sehr beruhigt hat.
    Bis zu dem Zeitpunkt, als ich den kleinen Punkt auf dem Ultraschallbildschirm gesehen habe, dieses winzige Leben, das da in mir wächst, war ich selbst gar nicht sicher, wie ich es eigentlich finden soll, ein Kind zu bekommen. Aber seitdem ist da ein ganz neues Gefühl in mir, das sogar die Angst davor überwiegt, wie Jonathan reagieren wird.
    Ich will dieses Kind, auch wenn es noch völlig abstrakt ist, dass aus dem Punkt mal ein großes, lebendiges Baby werden wird. Es ist mein Kind mit Jonathan, ein Teil von mir und ein Teil von ihm, und ich könnte diesem Wesen niemals etwas antun, spüre im Gegenteil einen sehr starken Beschützerinstinkt, das Bedürfnis, dafür zu sorgen, dass ihm nichts geschieht.
    Wie ich es Jonathan beibringen soll, weiß ich allerdings immer noch nicht, und als er sich – vorsichtig, um die Papiere nicht durcheinanderzubringen – auf die Bettkante setzt, umarme ich ihn ein kleines bisschen weniger fest als sonst, küsse ihn fast schuldbewusst, weil es sich so ungewohnt anfühlt, ihm etwas zu verschweigen. Was er sofort merkt, denn er runzelt die Stirn.
    »Ist alles in Ordnung?«
    Er kennt mich einfach zu gut, denke ich, während ich in seinen strahlendblauen Augen versinke, die mich so durchdringend mustern.
    »Ich weiß es nicht, sag du es mir«, erwidere ich, um seine Aufmerksamkeit von mir abzulenken, und streiche ihm über die Brust, liebe das Gefühl seiner kräftigen Muskeln unter dem Stoff seines schwarzen Hemdes, das er wie immer am Kragen offen und ohne Krawatte trägt. »Bist du in Paris weitergekommen?«
    Deswegen war er in Frankreich – um sich dort mit einem Geschäftsfreund zu treffen, der angeblich
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