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Erloest

Erloest

Titel: Erloest
Autoren: Kathryn Taylor
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wenn die Temperaturen weiter fallen, kann es nicht mehr lange dauern.«
    »Ich mache Mrs Huntington gerade etwas Rührei zum Frühstück. Möchten Sie auch etwas?«, erkundigt sich Mrs Matthews bei ihr, und Sarah nickt.
    »Oh, das wäre fantastisch, Mrs Matthews, vielen Dank!«, sagt sie. Das Lächeln ist auf ihr Gesicht zurückgekehrt, und sie strahlt richtig, als sie ein flaches, in braunes Papier eingeschlagenes Päckchen aus ihrer Handtasche holt. »Hier, sieh mal.« Sie reicht es mir. »Das hat Sophie mir für Alex’ Geburtstag besorgt.«
    »Sophie Conroy – die Galeristin?«, frage ich, während ich das Päckchen vorsichtig auswickele.
    »Sie ist keine Galeristin, Grace, sie arbeitet in einem Auktionshaus – und kennt sich gut mit alten Sachen aus«, korrigiert mich Sarah und wartet gespannt auf meine Reaktion, als ich das Buch betrachte, das unter dem Papier zum Vorschein kommt – eine besonders schöne, in Leder gebundene Ausgabe von …
    »Oliver Twist?« Stirnrunzelnd sehe ich Sarah an. »Liest Alexander denn so etwas?«
    »Es ist sogar sein Lieblingsbuch. Er sagt, er hat sich immer mit dem armen Waisenjungen identifiziert, weil er als Kind auch nichts hatte. Seine Eltern hätten es sich niemals leisten können, ihn aufs Winchester College zu schicken, aber zum Glück bekam er ja damals ein Stipendium. Stell dir nur mal vor, er wäre nicht schon als Kind so unglaublich klug gewesen – dann hätte er sich nicht in der Schule mit Jon anfreunden können und ich hätte ihn vielleicht nie kennengelernt.«
    Ich nicke. Alexander ist Jonathans Kompagnon und bester Freund, und seit er Sarah geheiratet hat, ist er auch für mich ein enger Vertrauter geworden. Ein besonders wichtiger sogar, denn sein Hintergrund ist – genau wie meiner – so ganz anders als der von Jonathan und Sarah, die als Kinder des Earl of Lockwood sehr feudal aufgewachsen sind und eigentlich nie Geldsorgen hatten. Alex und ich stammen dagegen aus einfachen Verhältnissen. Deshalb hat er Verständnis für mich, wenn ich mich manchmal mit dem Reichtum, der mich umgibt, ein bisschen überfordert fühle.
    »Das ist eine süße Idee«, sage ich Sarah und reiche ihr das Buch zurück. Ich gebe mir Mühe, möglichst normal zu klingen. Aber offenbar gelingt es mir nicht, denn sie mustert mich auf einmal mit neuer Aufmerksamkeit, während Mrs Matthews uns jeweils einen Teller mit Rührei und Toast und außerdem Tee serviert.
    Als die ältere Dame uns allein lässt, beugt Sarah sich vor. »Okay, spuck’s aus, Grace. Was ist los?«
    Ertappt senke ich den Blick. »Sieht man mir an, dass etwas los ist?«
    »Ich jedenfalls«, meint sie. »Du bist zwar immer eher blass, aber heute überstrahlst du jede gekälkte Wand. Und sonst guckst du auch nicht so, als müsstest du gleich in Tränen ausbrechen. Also, was ist los?«
    Erst jetzt, als Sarah es sagt, wird mir klar, dass es tatsächlich so ist: Ich fühle mich so hin- und hergerissen zwischen Freude und Verzweiflung, dass ich am liebsten weinen würde.
    Einen Moment zögere ich noch, denn eigentlich müsste Jonathan der Erste sei, der es erfährt. Doch ich kann es einfach nicht länger für mich behalten.
    »Ich bin schwanger.«
    Sarah lässt sich in ihren Stuhl zurücksinken. »Wow. Das … ist ja ein Ding.« Sie braucht eine Sekunde, um die Nachricht zu verdauen, doch dann strahlt sie mich an und greift über den Tisch nach meinen Händen, drückt sie fest. »Aber großartig! Herzlichen Glückwunsch, ich freu mich so!«
    Ich verziehe das Gesicht. »Ich bin mir noch gar nicht sicher, wie ich mich damit fühle.«
    »Dann war das keine Absicht?«, erkundigt sich Sarah vorsichtig, und ich schüttele den Kopf.
    »Nein. Eher … ein Versehen«, gestehe ich und zucke fast entschuldigend mit den Schultern.
    Sarahs Miene wird schlagartig ernst. »Weiß Jon es schon?«
    Unglücklich schüttele ich den Kopf. »Nein. Ich hab’s gerade eben erst so einen Test gemacht und es herausgefunden. Und ich weiß auch nicht, wie ich es ihm sagen soll. Du weißt doch, wie er zu Kindern steht. Denkst du, er freut sich überhaupt?«
    Zweifelnd blicke ich sie an und hoffe, dass sie mir meine Sorgen nimmt. Doch sie lehnt sich nur mit ernster Miene auf ihrem Stuhl zurück und schweigt für einen Moment.
    »Ich würde dir so gerne versichern, dass er sich wahnsinnig freuen wird – weil es eigentlich das Normalste auf der Welt sein sollte. Sein müsste. Aber ganz ehrlich: Ich weiß es nicht«, erklärt sie mir dann, und obwohl es
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