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Erik der Wikinger

Erik der Wikinger

Titel: Erik der Wikinger
Autoren: Henry Rider Haggard
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dort saßen sie und sahen ihre weit aufgerissenen Wunden an.
    Immer mehr kamen. Zuerst die, die Erik und Skallagrim auf See getötet hatten, dann die, die auf den englischen Kriegszügen durch ihre Hand gefallen waren, und all ihre Gefährten, die im Wasser der Pentland-Meerenge gestorben waren, als Swanhilds Hexerei die Gudruda hatte sinken lassen.
    »Nun haben wir eine gute Mannschaft hier«, sagte Erik schließlich. »Was meinst du, ist es genug, oder wird der Moosberg noch mehr Tote zu uns schicken?«
    Während er noch sprach, näherte sich die Erscheinung eines grauhaarigen Mannes. Er hatte nur einen Arm, denn den anderen hatte man ihm abgetrennt, und der Harnisch war auf seiner linken Seite rot vor Blut.
    »Willkommen, Graf Atli!« rief Erik. »Nimm mir gegenüber Platz. Morgen werden wir sowieso vereint sein.«
    Der Geist des Grafen setzte sich und sah Erik mit betrübten Augen an, sprach jedoch kein Wort.
    Dann kamen noch mehr, und ihnen voran ging der schwarze Ospakar.
    »Das sind die, die auf Middalhof gestorben sind«, rief Erik. »Willkommen, Ospakar! Dein Hochzeitsfest verlief nicht gut!«
    »Mich deucht, wir haben schon genug Trolle«, sagte Skallagrim, »aber siehe, dort kommen noch mehr.«
    Und als er sprach, kam Hall von Lithtal und mit ihm Koll der Halbgescheite und noch mehr. Und so ging es weiter, bis alle Männer, die Erik und Skallagrim getötet hatten oder an ihrer Seite gestorben waren, vor ihnen versammelt waren.
    »Nun sind es wahrlich genug«, sagte Erik.
    »Dort ist noch Platz«, sagte Skallagrim, zur anderen Seite des Feuers deutend, »und die Hölle hat noch viele Tote.«
    Kaum waren diese Worte über seine Lippen gekommen, da erklang das Geräusch schlagender Hufe, und eine weißgekleidete Gestalt ritt heran. Es war eine Frau, denn blondes Haar floß ihre weißen Arme hinab. Dann glitt sie vom Pferd und trat ins Licht des Feuers, und siehe, ihre weiße Robe war rot vom Blut, ein großes Schwert steckte noch in ihrem Herzen und ihr Gesicht und ihre Augen waren jene von Gudruda der Schönen, und das Pferd, das sie ritt, war Schwarzmähne, das Erik getötet hatte.
    Als Hellauge sie nun sah, schrie er laut auf.
    »Sei gegrüßt, mein Schatz!« sagte er. »Ich habe keine Angst mehr, denn nun bist du gekommen, um mir Gesellschaft zu leisten. Dein Anblick erfreut meine Augen – ay, selbst in deinem Todesgewand. Sei gegrüßt, Schatz, meine Liebste! Ich habe dich kalt und steif in Middalhofs Erde gelegt, doch als liebende Frau hast du deine Fesseln gesprengt und bist gekommen, um mich vor dem Griff der Trolle zu bewahren. Du bist willkommen, Gudruda, Asmunds Tochter! Komm, Weib, setz dich an meine Seite.«
    Gudrudas Geist sprach kein Wort. Die Erscheinung ging durch das Feuer auf ihn zu, und die Flammen erloschen unter ihren Füßen. Sie flackerten jedoch wieder auf, als sie weitergegangen war. Dann setzte sie sich vor Erik auf den Boden und sah ihn mit weit geöffneten, zärtlich blickenden Augen an. Dreimal streckte er die Arme aus, um Gudruda zu ergreifen, aber dreimal verließ ihn die Kraft und sie fielen zurück. Es war, als seien sie gegen eine Wand aus Eis gestoßen und von der bitteren Kälte betäubt worden.
    »Sieh, hier kommen noch mehr!« stöhnte Skallagrim.
    Erik wandte sich um, und siehe da, der leere Platz links vom Feuer füllte sich mit schattenhaften Gestalten, die wie Nebelschwaden wirkten. Unter ihnen war Gizur, Ospakars Sohn, und viele seiner Leute. Auch Swanhild, Groas Tochter, stand dort und zwischen ihren Brüsten kauerte eine Kröte. Mit aufgerissenen Augen suchte sie den Blick der toten Gudruda, die sie nicht zu sehen schien, und ein Anflug von Furcht verzerrte ihr liebliches Gesicht. Und das waren noch immer nicht alle, denn dort, vor der schattenhaften Menschenmenge standen zwei mächtige Gestalten in Harnischen, und die eine war Eriks und die andere Skallagrims Erscheinung.
    Und so blickten diese beiden, obwohl sie noch lebten, auf ihre eigenen Geister! Da schrien Erik und Skallagrim laut auf, und alles verschwamm um sie, und ihre Sinne verließen sie, so daß sie ohnmächtig wurden.
    Als sie die Augen wieder öffneten und das Leben zu ihnen zurückkam, war das Feuer erloschen und es war Tag. Von der Gesellschaft, die sich vor ihnen auf der Felsebene versammelt hatte, war keine Spur mehr zu sehen.
    »Skallagrim«, sprach Erik, »ich scheine einen seltsamen Traum geträumt zu haben – einen sehr seltsamen Traum von Nornen und Trollen!«
    »Erzähle mir deinen
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