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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Röte flog über die Wangen des Dr. Geyer. Er packte schärfer zu. Seine schmalen, dünnhäutigen Hände hielt er jetzt nicht ohne Anstrengung ruhig, seine helle, hohe Stimme bohrte an dem Zeugen, klar, unerbittlich. Er wollte Zusammenhänge herstellen zwischen der heutigen Aussage des Chauffeurs und jenem Verfahren auf Konzessionsentziehung. Er wollte darlegen, daß das Verfahren niedergeschlagen worden sei, als sich die Möglichkeit ergab, durch die Aussage Ratzenbergers den Dr. Krüger zu belangen. Er stellte unschuldige Fragen, von sehr weit her sich näher pürschend. Aber da schaute Ratzenberger nicht vergeblich hilfesuchend nach dem Vorsitzenden, da griff Dr. Hartl ein, da war eine Mauer. Nicht erfuhr das Gericht, wie Ratzenberger zuerst ganz unbestimmt ausgesagt hatte, wie man ihm dann die Konzessionsentziehung ausmalte, wieder verschwinden ließ, bis er in seinen Bekundungen fest war. Nicht erfuhr man, wie da Fäden gingen von der Polizei zu den Justizbehörden, von den Justizbehörden zum Kultusministerium. Hier war alles vag, unbestimmt, nichts festzustellen. Immerhin war das Postament, auf dem der Zeuge Ratzenberger stand, angeknabbert. Allein er rettete, unterstützt vom Vorsitzenden, seinen Abgang. Durch einen volkstümlichen Ausspruch: er habe vielleicht wirklich einmal einen Fahrgast nicht ganz gebührlich behandelt; aber man solle fragen, wen man wolle, jeder Chauffeur der Stadt fahre besser mit zwei Maß Bier im Leib. Damit wurde er entlassen, fest glaubend, nach bestem Wissen und Gewissen seiner Zeugenpflicht genügt zu haben, mit sich nehmend viele Sympathien, die berechtigte Hoffnung auf manche Trinkgelder, die bestimmte Aussicht, selbst wenn ihn wieder so ein damischer Hammel von Fahrgast wegen Gewalttätigkeiten anzeigen sollte, im sichern Besitz seiner Konzession zu sein.
    Das Gericht beschäftigte sich sodann mit dem Faschingsfest,das jener Autofahrt vorangegangen war. Dieses Fest hatte im letzten Jahr des Kriegs stattgefunden. Eine Dame aus Wien hatte einige dreißig Leute in ihre Wohnung gebeten. Die Wohnung war auf nette, anspruchslose Art geschmückt gewesen, man hatte getrunken, getanzt. Aber die Insassen der darunterliegenden Etage, der Dame aus Wien aus mancherlei Gründen feind, hatten die Polizei gerufen. Es war grober Unfug, während des Kriegs zu trinken und zu tanzen, die Polizei hatte die Festgäste aufgehoben. Soweit sie in kriegsdienstpflichtigem Alter standen und keine Beziehungen von Einfluß hatten, wurden sie, auch wenn sie als nicht felddiensttauglich oder als unabkömmlich befunden waren, umgeschrieben und an die Front geschickt.
    Da die Wienerin, die das Fest veranstaltet hatte, Abgeordneten der oppositionellen Linksparteien nahestand, ließ sich die Behörde angelegen sein, den Vorfall nach Möglichkeit aufzubauschen. Schnell verwandelte sich der harmlose Tanz in eine wüste Orgie, man erzählte starkfarbige Details von den obszönen Akten, die sich dort abgespielt hätten. Die Dame wurde aus Bayern ausgewiesen. Sie hatte ein Kind von einem angesehenen Mann, der vor zwei Jahren gestorben war. Jetzt versuchten die Verwandten dieses Mannes, sie als sittlich unzuverlässig von der Vormundschaft über ihr Kind auszuschließen. Die Münchner Bürger erzählten sich angeregt schmunzelnd und lippenleckend immer saftigere Einzelheiten von jenem Abend; man kommentierte ausführlich, entrüstet und interessiert die raffinierten Verfallserscheinungen der Schlawiner , unter welcher Bezeichnung man in jener Stadt alle zusammenfaßte, die, sei es im Aussehen, sei es in der Lebensform, sei es in der Begabung, von der Norm des Mittelstandes abwichen.
    Bestritt Dr. Krüger, daß er und die Dame an jenem fragwürdigen Abend in der Widenmaierstraße teilgenommen hatten? Nein. Durch eine umständliche Beweisführung suchte die Anklagebehörde festzustellen, daß die obszöne Luft jenes Festes Vorbedingungen geschaffen habe, aus denenheraus das Faktum, das der Chauffeur beeidet, daß nämlich Dr. Krüger der Dame in ihre Wohnung gefolgt war, doppelt naheliegend erschien. Der Staatsanwalt beantragte zunächst, wegen Gefährdung der Sittlichkeit die Öffentlichkeit auszuschließen. Es gelang zwar Dr. Geyer, diesen Vorstoß abzuwehren, vor allem, da sich der Vorsitzende bei dem murrenden Publikum nicht unbeliebt machen wollte. Doch nun wurde in öffentlicher Sitzung anschaulich gemacht, daß Polster auf dem Boden herumlagen, daß die Beleuchtung trüb und zweideutig war, daß man auf
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