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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg
Autoren: Lion Feuchtwanger
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begannen hastig zu arbeiten, als jetzt der Chauffeur Franz Xaver Ratzenberger, kleiner, dicker Mensch, rosig runder Kopf, blonder Schnauzbart, wichtig vortrat, geschmeichelt von der allgemeinen Aufmerksamkeit. Linkisch in dem ungewohnten schwarzen Anzug, ging er mit breitem, gespielt natürlichem Schritt, sehr plump. In knarrendem, umständlichem Dialekt beantwortete er die Fragen nach seinen Personalien.
    Lautlos hörte man dann den wenigen, ungeschlachten, an sich nichtssagenden Sätzen zu, mit denen der untersetzte, kleinäugige Mensch den Beklagten Krüger entscheidend belastete. Er hatte also, vor drei und einem halben Jahr, in der Nacht vom Donnerstag, dem 23., zu Freitag, dem 24. Februar, den Beklagten Krüger und eine Dame um drei Viertelzwei Uhr morgens von der Widenmaierstraße zu dem Haus Katharinenstraße 94 gefahren. Dort war der Dr. Krüger ausgestiegen, hatte ihn abgelohnt und war mit der Dame in das Haus hineingegangen. Da der Beklagte in dem Disziplinarverfahren gegen die jetzt verstorbene Anna Elisabeth Haider unter Eid das Gegenteil bezeugt hatte, daß er nämlich in jener Nacht die Dame nach ihrer Wohnung gebracht habe, dann aber im gleichen Wagen weitergefahren sei, lag, wenn die Aussage des Chauffeurs glaubwürdig befunden wurde, Meineid vor.
    Der Vorsitzende machte loyalerweise, ohne daß erst der Verteidiger Dr. Geyer hätte eingreifen müssen, den Chauffeur auf das Unwahrscheinliche seiner Aussage aufmerksam. Die Vorgänge lagen mehr als drei Jahre zurück. Wie kam es, daß Ratzenberger, der doch in der Zwischenzeit mehrere tausend Fahrgäste befördert hatte, sich des Dr. Krüger und seiner Begleiterin so genau erinnerte? War keine Verwechslung möglich? Im Datum? In den Personen? In der legeren Art, wie er mit Leuten aus dem Volk umzugehen pflegte, redete der Vorsitzende auf den Zeugen ein, so daß der Staatsanwalt beinahe unruhig wurde.
    Aber der Chauffeur Ratzenberger war gut präpariert und blieb keine Antwort schuldig. In anderen Fällen könne er nicht mit solcher Bestimmtheit sagen, wann, wo und wie. Aber am 23. Februar sei sein Geburtstag, den habe er gefeiert, und eigentlich sei er entschlossen gewesen, die Nacht darauf keinen Dienst zu tun. Er sei aber dann doch losgefahren, weil nämlich die Rechnung für das Elektrische nicht bezahlt gewesen sei, und seine Alte habe so in ihn hineingeplärrt, und da sei er halt doch losgefahren. Hier konstatierten die Berichterstatter Heiterkeit. Es sei saukalt gewesen, und er hätte sich saumäßig geärgert, wenn er keine Fuhre gekriegt hätte. Sein Halteplatz sei an der Mauerkircherstraße gewesen, in einer Gegend, wo lauter noble Leute wohnten. Und dann habe er halt eine Fuhre gekriegt, eben den Herrn Dr. Krüger und eine Dame. Die Herrschaften seien aus einem Haus ander Widenmaierstraße gekommen mit lauter erleuchteten Fenstern, wo offenbar ein Fest gewesen sei.
    Dies brachte er vor, treuherzig knarrend, nach jedem Satz etwas schmatzend, sehr bemüht, sich verständlich zu machen. Er wirkte auch bieder, gemütlich, glaubwürdig, er verbreitete Wohlwollen und Anregung. Richter, Geschworene, Journalisten, Publikum folgten interessiert seinen Aussagen.
    Wieso er darauf geachtet habe, fragte der Vorsitzende – auch er sprach jetzt im Dialekt, was ihm allgemeine Sympathien eintrug –, daß der Dr. Krüger mit der Dame in das Haus in der Katharinenstraße gegangen sei. Der Chauffeur Ratzenberger erwiderte, dafür interessieren er und alle seine Kollegen sich sehr; denn die Herren, die eine Dame nach Hause begleiten und dann mit ihr hinaufgehen, die ließen sich nicht lange herausgeben, sondern spendierten anständige Trinkgelder.
    Wieso er in der Dunkelheit den Angeklagten so genau gesehen habe, daß er ihn heute mit aller Bestimmtheit wiedererkenne?
    Er bitte sehr, erwiderte der Chauffeur, aber einen Mann wie den Herrn Doktor erkenne man eben wieder.
    Alle beschauten den Angeklagten, sein massiges Gesicht, die breite Stirn mit dem hereingewachsenen, strahlend schwarzen Haar, die grauen Augen mit den dicken, finsteren Brauen darüber, die fleischige, wuchtige Nase, den geschwungenen Mund. Es war richtig, dies Gesicht war leicht zu merken. Es war glaubhaft, daß der Chauffeur sich das Gesicht durch die Jahre gemerkt hatte.
    Der Angeklagte saß unbeweglich. Sein Verteidiger, Dr. Geyer, hatte ihm eingeschärft, nicht einzugreifen, sondern ihn machen zu lassen. Dr. Geyer hätte gern auch das herausfordernde Lächeln vom Gesicht des Mannes Krüger
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