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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg
Autoren: Lion Feuchtwanger
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schamlose, überaus sinnliche Art tanzte. Dr. Geyer machte geltend, daß, wenn das Fest so anregend gewesen wäre, der Beklagte sich doch kaum so verhältnismäßig früh entfernt hätte. Allein der Staatsanwalt erwiderte geschickt: gerade durch die Atmosphäre jenes Abends habe Dr. Krüger das Bedürfnis gefühlt, möglichst bald mit seiner Dame allein zu sein. Konziliant, verständnisvoll, entlockte der Vorsitzende dem Zeugen immer mehr kleine Züge, die, an sich harmlos, in der Ausdeutung des Staatsanwalts höchst zwielichtig erschienen. Waren nicht Personen beiderlei Geschlechts anwesend? Lag man nicht auf Matratzen herum? Aß man nicht stimulierende Gerichte, deutschen Kaviar beispielsweise? Die Dame wurde vernommen, die jenes Fest veranstaltet hatte. Waren nicht an jenem Abend, an ein und demselben Abend, zwei Männer anwesend, mit denen sie liiert gewesen war? Tanzte sie nicht mit diesen beiden Männern? Hatte sie nicht auch, als dann die Polizei erschien, Widerstand gegen die Staatsgewalt geleistet? Sich mit den Polizisten herumgeprügelt? Sie war eine üppige Dame mit einem schönen, fleischigen Gesicht. Sie litt unter der Hitze des schwer zu lüftenden Raums, war nervös, ihre Aussagen klangen überstürzt, hysterisch. Sie erregte Heiterkeit und ein gewisses mit Verachtung gemischtes Wohlwollen, wie es die Bewohner jenes Landstrichs ihren Huren entgegenzubringen pflegten. Es stellte sich heraus, daß sie sich keineswegs mit den Polizisten herumgerauft hatte; sie hatte lediglich, als ein Polizist sie von hinten an der Schulterpackte, mit dem Fächer gegen die unsichtbare Hand geschlagen. Sie war auch nicht etwa wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt verurteilt worden, sondern nur wegen Übertretung der Vorschriften über die Rationierung der Kohle und der Elektrizität, weil sie nämlich gegen die Vorschrift in mehr als einem Zimmer Licht gebrannt hatte. Allein während die Gewalttätigkeiten des Chauffeurs Ratzenberger gegen den Schlawiner schmunzelnde Billigung fanden, hatte man für den Fächerschlag dieser Dame ein allerdings gekitzeltes Kopfschütteln. Jedenfalls sah man wieder, wie wüst es bei den Schlawinern zuging; das Publikum kam sehr auf seine Rechnung. Man war angenehm erregt, sogar geneigt, dem Angeklagten mildernde Umstände zuzugestehen. Doch trotz aller Kunst Dr. Geyers hatte das Gericht es zuwege gebracht, daß nun sämtliche Zuhörer von der Schuld des Mannes Krüger überzeugt waren.
    Der Chauffeur Ratzenberger hatte am Abend dieses Tages im Restaurant »Zum Gaisgarten«, als er sein Auftreten vor Gericht mit seiner Stammtischrunde »Da fehlt sich nichts« feierte, die Achtung aller Vereinsbrüder für sich. Auch seine Geschwister, sonst ihn für einen Klachl und Scheißkerl haltend, fanden für diesen Abend, er sei ein feiner Hund, und seine Frau, die ihn früher wegen Mißhandlung mehrmals bei der Polizei angezeigt hatte, wissend, er habe sie nur behufs Erwerbs einer Autodroschke geheiratet und möchte sie gern wieder los sein, liebte ihn sehr.
    Bewundernd aber mehr als die andern hing an seinen Lippen sein ältester Sohn, der Ludwig Ratzenberger, ein junger Bursch von angenehmem Aussehen. Ehrfürchtig trank er jedes Wort, das der Chauffeur langsam, selbstzufrieden unter seinem verfransten, bierschaumbedeckten Schnauzbart hervorkaute. Niemals hatte sich der Ludwig Ratzenberger aus seiner ewig lamentierenden Mutter etwas gemacht. Selbst damals an ihrem Ehrentag, als er ihr, ein Bub noch, bei ihrer späten Trauung die Brautschleppe getragen hatte, zusammen mit seiner Schwester, damals selbst hatte er etwas wie Verachtungfür die Jammerselige gespürt. Der Vater hingegen, war der nicht von jeher und in jeder Lebenslage imposant gewesen? Dunkel erinnerte sich der Ludwig und mit dumpfem Wohlbehagen, wie ihm, schon als er noch nicht gehen konnte, der Vater, mit Hilfe eines Lappens, Bier in den kleinen, gierigen Mund eingeflößt hatte. Und wie hatte des Vaters Schimpfen und Fluchen das Zimmer und die Seele des Knaben ausgefüllt, mannhaft, vorbildlich. Dann die Stunden voll heimlicher, verbotener Gaudi, wenn ihm der Vater gegen die Vorschrift, denn er war noch zu jung, das Chauffieren beibrachte. Die indianerhafte Seligkeit der tollen, nächtlichen Fahrten in Wagen, deren Besitzer solche Ausflüge wahrscheinlich nicht gerne gesehen hätten. Und welch ungeheuren Eindruck hatte es dem Jungen gemacht, wie der Vater einem Herrenfahrer, der sich anläßlich eines geringfügigen Konflikts die
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