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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg
Autoren: Lion Feuchtwanger
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im Mund, trottete der kräftige, hochgewachsene Mann behaglich durch den gleichmäßigen Regen der Juninacht. Er bog in den weitläufigen Stadtpark ein, den Englischen Garten. Die alten, großen Bäume trieften, der Rasen roch erquicklich. Es ging sich angenehm in der reinen Luft der bayrischen Hochebene.
    Der Justizminister Dr. Klenk nahm den Hut von dem braunroten Schädel. Er hat einen arbeitsvollen Tag hinter sich, aber jetzt hat er etwas Musik gehört. Gute Musik. Die Nörgler mögen sagen, was sie wollen, gute Musik macht man in München. Er hatte seine Pfeife im Mund, eine Nacht ohne Geschäfte vor sich. Er fühlte sich frisch wie auf seiner Jagd im Gebirg.
    Eigentlich ging es ihm gut, ausgezeichnet ging es ihm. Er liebte es, Bilanz zu machen, festzustellen, wie es um ihn stand. Er war siebenundvierzig Jahre alt, kein Alter für einen gesunden Mann. Seine Nieren sind nicht ganz in Ordnung, vermutlich wird es einmal sein Nierenleiden sein, an dem er abkratzt. Aber fünfzehn, zwanzig Jahre hat das noch Zeit. Seine beiden Kinder sind gestorben, von seiner Frau, der dürftigen, gutmütigen, eingetrockneten Geiß, hat er Nachwuchs nicht mehr zu erwarten. Aber draußen der Simon, der Bams, den er von der Veronika hat, die jetzt auf seiner Besitzung Berchtoldszell im Gebirg den Haushalt führt, gedeiht ausgezeichnet. Er hat ihn in der Filiale der Staatsbank in Allertshausen untergebracht. Dort wird er Karriere machen; er, der Minister, wird noch gutgestellte Enkel erleben.
    Soweit ging es ihm weder gut noch schlecht. Allein in seinem Beruf, da ging es besser als mittelmäßig, da fehlte sich nichts. Seit einem Jahr jetzt hat er sein Ministerium inne, verwaltet er die Justiz des Landes Bayern, das er liebt. Es war mächtig vorangegangen in diesem Jahr. Wie er durch den riesigen Körper, durch den langen, rotbraunen Schädel herausstach aus seinen zumeist kleinen, rundköpfigen Ministerkollegen, so auch fühlte er sich durch Herkunft, Manieren, Gehirn ihnen überlegen. Es war hergebracht seit der Überwindung der Revolution, daß die besseren Köpfe der herrschenden Schicht sich von der Regierung des kleinen Landes zurückhielten. Sie schickten subalterne Leute ins Kabinett, begnügten sich, aus dem Hintergrund zu dirigieren. Man hatte sich gewundert, daß er, von großbürgerlicher Herkunft, ein guter Kopf, in die Regierung eintrat. Aber er fühlte sich sauwohl darin, raufte sich voll Passion herum mit den Gegnern im Parlament, trieb volkstümliche Justizpolitik.
    Vergnügt stapfte er unter den triefenden Bäumen. In dem knappen Jahr, in dem er daran war, hat er gezeigt, daß er Schmalz in den Armen hat. Da ist der Prozeß Woditschka, durch den er die bayrische Eisenbahn verteidigt und das Reich hineingelegt hat, da ist der Prozeß Hornauer, durch den erdie bodenständige Brauindustrie vor einer scheußlichen Blamage bewahrte. Da ist jetzt vor allem der Prozeß Krüger. Seinetwegen hätte dieser Krüger, bis er schwarz wird, Subdirektor der staatlichen Sammlungen bleiben können. Er hatte nichts gegen den Krüger. Nicht einmal, daß er die mißliebigen Bilder in die Staatsgalerie gehängt hat, nahm er ihm übel; er selber hatte Sinn für Bilder. Aber daß er auftrumpfte, der Krüger, daß er, pochend auf seine feste, lebenslängliche Anstellung, sich mokierte, die Regierung könne ihm den Arsch lecken, das ging zu weit. Man hatte es sich gefallen lassen müssen, zunächst. Der Flaucher, der Kultusminister, der traurige Hund, war nicht fertig geworden mit dem Krüger. Aber da hat er, Klenk, seine ausgezeichnete Idee gehabt und den Prozeß auffahren lassen.
    Er lächelte breit, klopfte an seiner Pfeife herum, brummelte mit seinem mächtigen Baß Melodien aus der Brahms-Sinfonie, schnupperte den Geruch der Wiesen ein und des langsam aufhörenden Regens. Immer wenn er an seinen Kollegen vom Kultusministerium dachte, war er vergnügt. Dieser Dr. Flaucher war so recht der Typ jener bäuerlich kleinbürgerlichen Beamten, wie sie die Partei ins Kabinett vorzuschicken liebte. Ihm, Klenk, machte es Freude, sich an ihm zu reiben. Es war amüsant, wie der schwere, plumpe Mensch, wurde er gereizt, hilflos den Kopf vorstieß, wie die kleinen Augen aus dem dicken, viereckigen Schädel bösartig den Feind anfunkelten, wie dann irgendeine klobige, salzlose Grobheit kam, von ihm, Klenk, mühelos pariert.
    Der Mann im Lodenmantel streckte den Handrücken aus, konstatierte, daß der Regen so gut wie aufgehört hatte, schüttelte sich,
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