Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erfindung der Violet Adams

Erfindung der Violet Adams

Titel: Erfindung der Violet Adams
Autoren: L Rosen
Vom Netzwerk:
sie sogar aus echten Federn bauen, mit einfachen Knochen aus Messing. Sie betätigte die Klingel, die neben der Labortür angebracht war. Einen Moment später erschien einer der jungen Hausangestellten. Violet hatte den Verdacht, dass nur die Bediensteten, die sich Mrs Wilks Zorn zugezogen hatten, zu ihr heruntergeschickt wurden, als Strafe sozusagen. In diesem Fall war es ein Junge, der nur wenige Jahre jünger war als sie und der vermutlich in der Küche arbeitete. Violet sah kurz zu ihm auf. Er hatte die Finger verschränkt, um das Zittern seiner Hände zu verbergen, und seine Knie waren angewinkelt, als wollte er jeden Augenblick davonstürzen.
    »Ich brauche Federn«, sagte Violet mit einem Blick auf ihre Metallenten. »Mindestens vier Dutzend. Spätestens bis übermorgen. Dicke Federn, keine Daunen. Am besten von einer Ente, doch solange sie aussehen, als wären sie von einer Ente, ist es gleichgültig … «
    Der nervöse Junge nickte und floh aus dem Labor. Violet befeuerte den Ofen und holte ihr Werkzeug heraus, um die bronzenen Knochen anzufertigen.
    Kaum etwas erfüllte Violet so sehr wie das Gefühl von Metall in ihren Händen. Sie liebte es, sich neue Erfindungen auszudenken, doch den größten Spaß machte es ihr, sie in die Realität umzusetzen, zu fühlen, wie jedes Zahnrad und jede Feder ihren Platz fand und zu sehen, wie ihre Entwürfe in ihren Händen zum Leben erweckt wurden und funktionierten. Sie war eine der wenigen, die im Stande waren, aus einem Dutzend auf den ersten Blick identischer Federn die widerstandsfähigste zu finden oder die nachgiebigste oder diejenige, die am ehesten zerbrechen würde. Wenn sie sich eine nicht funktionierende Erfindung ansah, konnte sie erkennen, worin das Problem bestand und wie es sich beheben ließ. Nach einigen Stunden hatte sie drei Paar wunderschöner Flügelskelette hergestellt und an den Entenkindern befestigt. Sie probierte die Mechanik jeder einzelnen Ente, rollte sie vor und zurück und freute sich, die nackten Flügel schlagen zu sehen, als wollten die Enten gleich abheben.
    Die Wanduhr, die die Zeit immer genau anzeigte, seit Violet sie im Alter von neun Jahren entwickelt und gebaut hatte, schlug sieben, und Violet rannte nach oben, um sich vor dem Abendessen die Hände zu waschen. Mrs Wilks trug das Essen immer auf die Sekunde pünktlich auf und wurde zunehmend nervöser, je später man erschien. Ashton und Violet aßen ihre Suppe in stummer Zufriedenheit, während Mrs Wilks am Kopfende des Tisches saß und mit unnötig langen Nadeln strickte, wie Violet fand.
    »Ashton«, sagte Violet, als sie ihre Suppe halb aufgegessen hatte. »Ich werde morgen in die Stadt fahren und wollte dich fragen, ob du mich begleitest. Ich war nur wenige Male in unserem Stadthaus und habe noch nie dort gewohnt, deshalb dachte ich, dass es sinnvoll wäre, schon einmal hinzufahren und zu sehen, was ich von zu Hause mitnehmen muss.« Violet versuchte, so entspannt wie möglich zu klingen. In Wirklichkeit brauchte sie einen Grund, um ohne die Begleitung von Mrs Wilks nach London zu fahren und ihre Bewerbung persönlich abzugeben. Sie brannte darauf, die hoch in den Himmel ragende Illyria-Akademie zu sehen, und obwohl sie bezweifelte, dass man ihr Zutritt gewähren würde, hoffte sie, zumindest einen Blick ins Innere werfen zu können, wenn man ihr öffnete, um ihre Bewerbung entgegenzunehmen.
    »Ich werde dich begleiten«, mischte sich Mrs Wilks ein, ohne von ihrem Strickzeug aufzusehen. Sie war keine dumme Frau. Höchstwahrscheinlich verfolgte dieser Ausflug noch einen anderen Zweck, und ein anderer Zweck bedeutete unausweichlich Ärger. Und Ärger machte Mrs Wilks eine gehörige Angst.
    »Aber, Mrs Wilks«, begann Violet freundlich, »das kann ich doch nicht von Ihnen verlangen. Sie haben doch hier so viel zu tun. Und außerdem hatte ich gehofft, dass Sie für mich zu der Schneiderin gehen und sie nach Farbmustern fragen. Ich brauche schließlich neue Kleider. Mindestens sechs, denke ich: drei Abendkleider und drei für den Tag. Oder meinen Sie, ich brauche mehr? Ich bin so unerfahren in diesen Dingen. Ich weiß ja nicht einmal, welche Farben mir stehen, deshalb hatte ich gehofft, dass Sie mir ein paar Stoffe mitbringen könnten, die ich mir vor dem Spiegel anhalten kann, um zu sehen, ob sie mir stehen.«
    Ashton prustete in seine Suppe, um nicht zu lachen.
    »Wir können bei einem Londoner Schneider vorbeischauen«, erwiderte Mrs Wilks. »Ich bin mir sicher, dort gibt es
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher