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Erdschiff Giganto - Alle sechs Romane

Titel: Erdschiff Giganto - Alle sechs Romane
Autoren: Rolf Ulrici
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richtig gesehen zu haben.
    Auf einem mehrstufigen Sockel aus leuchtendem Gestein stand eine mannsgroße, menschliche Gestalt. Grauhaarig, graugesichtig, in einem grauen, langen Gewand. Selbst Charivari stockte beim Anblick dieses Götzenbildes der Atem ...
    Doch das »Götzenbild« war ein menschliches Wesen, ein sehr, sehr alter Mensch. Nur an seinen großen, matt und matter schimmernden Augen war zu erkennen, daß er noch lebte. Die unheimliche Würde, die von ihm ausging, verriet: Das war der Ragamuffin!
    Sprachlos standen Charivari und die Gefährten vor diesem lange gesuchten, geheimnisvollen Wesen. An ihre Ohren drang unablässig das Murmeln ferner Quellen.
    Micha packte Gérards Arm: In der Ferne, aus der das Rauschen kam, schnüffelte der Pudel umher. Dort war ein Durchgang, bewacht von einer Schar aufrecht stehender Gestalten. Es waren sechzig, siebzig wie zu Stein erstarrte, grauhaarige, graugewandete Männer: das Volk der Vavas!
    »Ihr habt meine Macht gebrochen«, sagte der Ragamuffin ruhig. »Ihr habt mich mit meinen eigenen Gedanken geschlagen. Das hätte ich befürchten müssen, doch daran habe ich nie gedacht. So ist es meine Schuld, daß wir erlöschen.«
    »Erlöschen?« fragte Charivari erstaunt. »Wer seid ihr?«
    »Namenlose«, erwiderte der innerirdische Fürst.
    »Wahrscheinlich vergessene Mayas«, flüsterte der Professor.
    »Eine Priesterkaste«, murmelte Superhirn. »Oder Ausgestoßene!«
    Der Mann, der seinen Namen nicht nannte, doch für die Gigantofahrer auch weiterhin der »Ragamuffin« blieb, war sichtlich der »Oberpriester«.
    »Wir sind die Hüter des Reinen Wassers, das ihr rauschen hört«, sagte er. »Und wir waren schon uralt, als die weißen Eroberer kamen. Wir sind Jahre und Jahre von Höhle zu Höhle in immer größere Tiefen gestiegen, dem Wasser nach, bis dorthin, wo es die vielfache Kraft hat. Das Wasser hat uns die Macht des Willens gegeben, der die Steine zum Leuchten bringt und uns befähigt, unsere Körpergröße zu verändern, uns an die Erdoberflächen zu schießen und Gedankenblitze wie Pfeile zu schleudern. Wir arbeiteten nicht, wir aßen nicht, wir saßen nur und dachten nach.«
    »Nein, das ist wohl umgekehrt«, sagte Charivari. »Ihr saßet und dachtet nach. Jahre, Jahrhunderte. Dann hat euch etwas irritiert. Ihr habt Erschütterungen verspürt. Von unterirdischen Atombombentests vielleicht. Denn ihr müßt ein sehr feines Gehör besitzen. Nun habt ihr verkapselte Späher nach oben geschickt. Die haben in ihren klugen Köpfen alles gespeichert, was sie sahen und hörten. In kurzer Zeit habt ihr alles Neue auf der Welt erfaßt und gespeichert, nichts Vorhandenes ausgelassen. Nicht einmal die Tiere in Grönland und in Australien. Alles habt ihr erfaßt, sage ich – aber ihr habt wenig begriffen. Die Technik ängstigte euch, der Technologe war euer Feind, wie ihr meintet. Und deshalb begann der grausige Kampf!«
    »Wir mußten das reine Wasser vor Fremdem bewahren«, entgegnete der Ragamuffin ruhig. Und er wiederholte: »Aber unsere Gehirne sind zerstört, unsere Kräfte erloschen, weil ihr uns mit unseren eigenen Gedanken erschlagen habt. Mit unseren eigenen Waffen!«
    »Das muß entsetzlich für sie gewesen sein!« murmelte Gérard.
    »Wie ein Bumerang«, flüsterte Superhirn.
    »Lebt wohl«, hauchte der Ragamuffin mit letzter Kraft. »Hier habt ihr keine Feinde mehr ...«
    Seine Augen glühten noch einmal auf, dann wurden sie grau. Die leuchtenden Steine erloschen langsam. Gleichzeitig sank die reglose Gestalt auf dem Sockel in sich zusammen.
    »Scheinwerfer an!« schrie Prosper. »Schnell, zurück zum Giganto! Hallo, seid ihr noch da? Ich möchte nicht auch au-au-aufgelöst werden! Vielleicht ist das Erdschiff schon ka-ka-kaputt ... !!!«
    Charivari ließ seinen Fingerring-Scheinwerfer aufblitzen.
    Micha rief erleichtert: »Der Giganto ist noch da!«
    »Aber wo sind die Männer? Die Vavas des Ragamuffin?« fragte Henri.
    »Weg!« sagte Superhirn rasch. »Genauso aufgelöst wie der Ragamuffin selber!«
    »Hört mal! Das Rauschen ist versiegt!« bemerkte Tati. »Das Wasser rinnt nicht mehr!«
    »Spuk«, brummte Gérard. »Aber wollen wir nicht ein kleines Andenken mitnehmen, damit wir wissen, daß wir nicht geträumt haben?«
    »Ich müßte Gesteinsproben sichern, vor allem aber etwas von dem Wasser«, entgegnete der Professor ernst. »Aber ich glaube, das darf ich nicht. Hier ist für den Wissenschaftler eine Grenze. Diese Vavas, die längst nicht mehr zur Welt
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