Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)

Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)

Titel: Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)
Autoren: Oliver Uschmann , Sylvia Witt
Vom Netzwerk:
von Sekunde zu Sekunde ruhiger. Ich folge Ricks Blick. Er liegt auf dem großen »Karneval in Köln«-Bild, das Caterina meiner Mutter gemalt hat: Ein umgekipptes Bierglas mit Restbierlache, eine aufgerissene leere Aluverpackung Alka-Seltzer, eine dicke rote Clownsnase, ein Päckchen Clownsschminke und ein Foto vom Kölner Dom liegen auf dem Boden und zeugen inmitten von Konfetti von dem, was am Aschermittwoch übrig bleibt. Ich mag Caterinas Bilder. Als Rick vom Bild wegschaut, sind seine Augen klar, und er steht mit der Stärke von Atlas, der die Welt trägt, vor der kleinen Gruppe am Stammtisch. Caterinas Bild kann Betrunkene ernüchtern. Sehr charmant klingt das nicht, aber es ist faszinierend. Das muss ich ihr erzählen.
    »Um es ganz offiziell ze maache, spreche ich ens Hochdeutsch. Wir han uns hier versammelt, weil et wat Wichtiges zu besprechen gibt«, sagt Rick, schaut sich um und testet mit einer Hand die Lehne des Stuhls, von dem er vorhin runtergefallen ist. Er nimmt die Hand wieder zurück, seufzt und spricht weiter: »Alsu, es ist so. Der Karl-Heinz vom Bauamt hat mir verzällt, dass die Neusser Straße zwesche der Friedrich-Karl-Straße und der Kapuzinerstraße vierspurig ausgebaut werden soll.«
    »Dat gitt et nit!«
    »Esu jet!«
    »Wat soll dä Käu?«
    »Och wat, dat dun die nit!«
    »Wat för ene Drissverzäll!«
    »Jeck, schwaad nit!«
    »Wat för ene Kokolores!«
    Der Kölner glaubt nicht alles sofort.
    »Doch, das stimmt«, sagt Rick. »Der Karl-Heinz hat mir die Ausschreibung zugemailt. Hier ist sie. Und hier ist die Bekanntgabe, welche Firmen daran beteiligt sein werden.«
    Rick holt die ausgedruckten Mails raus und hält sie dem skeptisch murmelnden Stammtisch vor die Nase. »Die da oben wollen das machen. Die komplette Rennbahnstraße soll zum Parkplatz werden, die Seitenstraßen dorthin werden stark verkehrsberuhigt, und alle Straßen zwischen der Neusser Straße und dem Nordfriedhof werden begrünte Fußgängerzonen.«
    »Wat soll dat dann? Vun mingem Huus in dä Jesuitengass nohr de Rennbahnstroß sin et üvver sibbehundert Meter!« Trude mag keine Fußgängerzonen. Sie will nur laufen, wenn sie es nicht muss.
    »Do wees noh dinger Garage bestemmp noch fahre künne, Trude. Außerdem ist das nicht das größte Problem. Alle Häuser zwischen der Sportstraße und der Kapuzinerstraße sollen abgerissen und fünf Meter weiter hinten wieder aufgebaut werden. Sie wissen nur noch nicht, welche Seite es trifft«, sagt Rick in aufgerissene Augen und Münder.
    »Dat geiht doch gar nit. Wat soll dann met däm klei Kapellche koot vür dä Schievestroß sin? Do weiß ald – dat Annakapellchen met dem Stephanus«, sagt Trude und meint damit ein winziges Gemäuer mit vergittertem Eingang und einer Statue darin. Es wird seit vielen Jahren liebevoll von Schützenbrüdern gepflegt. Ich stelle mir kriegerische Handlungen zur Verteidigung der Wegekapelle vor, wenn Bagger dem kleinen Relikt zu Leibe rücken wollen. Es gehört zu Köln wie der Dom.
    Die Augen werden immer größer. Ich sehe es dahinter denken. Rick müsste eigentlich gar nicht mehr weitersprechen.
    »Ja, und in dem Abschnitt weiter südlich ist es für die Herren Stadtplaner einfach. Da müssen sie nur ein einziges Haus abreißen.« Wir wissen alle, welches Haus Rick meint. Wir sitzen gerade darin.
    Die neueren Häuser rechts und links davon wurden sechs Meter vom Fahrbahnrand nach hinten versetzt gebaut. Vor ihnen befinden sich Parkbuchten. Nur unser Altbau ragt noch an seinem Originalplatz aus der Häuserflucht heraus. Als wir damals hier einzogen, bin ich in den Schreibwarenladen gegenüber gegangen, den es längst nicht mehr gibt. Ich wollte mir Schulhefte kaufen. Fünfte Klasse. ›Neue Schule, neue Klasse, neues Glück‹, dachte ich. Der Ladeninhaber verzog spöttisch den Mund, zog eine Augenbraue hoch und schaute, ohne den Kopf zu senken, auf mich herunter. Er sagte, dass wir bald wieder ausziehen müssten. Der alte Kasten würde sowieso in den nächsten Monaten abgerissen. Ich protestierte und erzählte, dass es im Haus nach frischer Wandfarbe und und Sägespänen rieche. Es war alt, aber frisch renoviert. »Pure Geldverschwendung. Der alte Kasten stört die Straßenflucht. Da nützt auch ein bisschen Farbkleckserei nichts«, sagte der Ladenbesitzer. Er war sich sicher. Wenn Männer sich sicher sind, sind ihre Aussagen so sinnvoll wie die Suche nach dem Rand des Universums. Oder wie Auberginen.
    Ich schaue zu Rick, dem Überbringer
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher