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Erdbeermond: Roman (German Edition)

Erdbeermond: Roman (German Edition)

Titel: Erdbeermond: Roman (German Edition)
Autoren: Marian Keyes
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Frau getrennt hatte und »trostbedürftig« war), aber manchmal ließ sie sich mit einem aus der Entourage ein. Die waren normalerweise schrecklich, aber das schien ihr zuzusagen. Ich glaube, ich habe nicht einen ihrer Partner gemocht.
    An dem Abend, als wir uns trafen und ich ihr meinen Vorschlag unterbreiten wollte, erschien sie, fröhlich, strahlend und so schlaksig wie eh und je, in einem Versace-Mantel, in irgendwas von Dior und irgendwas anderem von Chloé, und mein Mut verließ mich. Warum sollte sie diese Arbeit aufgeben? Aber da sieht man mal wieder.
    Bevor ich dazu kam, New York zu erwähnen, gestand sie, dass sie die überbezahlten Stars und ihre dummen Ansprüche leid sei. Ein Schauspieler, der Oscarpreisträger war, machte ihr gerade das Leben schwer, weil er behauptete, ein Eichhörnchen starre zum Hotelfenster hinein und verfolge jede seiner Bewegungen. Was Jacqui daran auszusetzen hatte, war nicht die kleingeistige Einstellung, etwas dagegen zu haben, dass ein Eichhörnchen ihm zuguckte, sondern dass das Zimmer im fünften Stock war – da gab es kein Eichhörnchen. Sie hatte die Nase voll von Berühmtheiten, sagte sie. Sie wollte was ganz anderes machen, wieder ganz von vorn anfangen, den Armen und Kranken dienen, möglichst in einer Leprakolonie.
    Das waren ausgezeichnete, wenn auch überraschende Neuigkeiten, und es war der perfekte Zeitpunkt, die Anträge auf Arbeitserlaubnis in den USA aus der Tasche zu ziehen. Zwei Monate später winkten wir Irland zum Abschied zu.
    Nach unserer Ankunft in New York wohnten wir ein paar Tage bei Rachel und Luke, doch das erwies sich als weniger gute Idee: Jedes Mal wenn Jacqui Luke sah, brach ihr der Schweiß aus, und zwar so stark, dass sie an Austrocknung litt.
    Weil Luke so fantastisch aussieht, benehmen sich die Leute in seiner Gegenwart etwas merkwürdig. Sie glauben, dass an ihm irgendwie mehr sein müsste, als tatsächlich da ist. Aber im Grunde genommen ist er einfach ein normaler, anständiger Kerl, der das Leben hat, das er sich wünscht, mit der Frau, die er sich wünscht. Er hat eine Gruppe von Freunden, die so ähnlich aussehen wie er, obwohl keiner so umwerfend ist, und unter dem Sammelbegriff »die Echten Männer« bekannt sind. Sie sind der Auffassung, dass die letzte gute Platte 1975 rauskam ( Physical Graffiti von Led Zeppelin) und alles andere seither kompletter Schwachsinn war. Für sie besteht ein unterhaltsamer Abend darin, dass sie zu einem Luftgitarren-Wettbewerb gehen – so etwas gibt es, ehrlich –, und obwohl alle gute Amateure sind, hat nur einer, Shake, wirkliches Talent und es damit bis zum Regionalfinale gebracht.
    Jacqui und ich machten uns auf Arbeitssuche, aber Jacqui hatte das Pech, dass keine Leprakolonie Leute einstellen wollte. Innerhalb einer Woche hatte sie einen Job in einem Fünf-Sterne-Hotel in Manhattan, wo sie die gleiche Arbeit tat wie in Dublin.
    Wie das Leben so spielt, traf sie den Eichhörnchen-Mann wieder, der sich nicht mehr an sie erinnerte und ihr wieder die Geschichte von dem Eichhörnchen, das ihm nachspionierte, auftischte. Nur dass es diesmal nicht im fünften, sondern im siebenundzwanzigsten Stock war.
    »Ich wollte etwas ganz anderes machen«, sagte sie zu Rachel, Luke und mir, als sie nach dem ersten Arbeitstag nach Hause kam. »Ich weiß nicht, wie das passiert ist.«
    Eigentlich lag es auf der Hand: Sie war offenbar mehr von der glitzernden Glamour-Welt fasziniert, als sie es sich eingestehen wollte. Doch das konnte man ihr nicht sagen. Jacqui hatte keine Zeit für Reflektion, die Dinge waren so, wie sie waren. Was als Lebensphilosophie auch seine Vorzüge hat – zwar liebe ich Rachel sehr, aber manchmal habe ich das Gefühl, ich kann mich nicht mal am Kinn kratzen, ohne dass sie darin eine versteckte Bedeutung sieht. Andererseits hat es keinen Zweck, Jacqui zu erzählen, dass man deprimiert ist, denn dann sagt sie jedes Mal: »Nein! Was ist denn passiert?« Aber meistens ist gar nichts passiert, man ist einfach nur deprimiert. Und wenn man versucht, ihr das zu erklären, erwidert sie: »Aber worüber bist du denn deprimiert?« Und dann sagt sie: »Lass uns ausgehen und irgendwo ein Glas Champagner trinken. Wozu sollen wir hier rumsitzen und Trübsal blasen?«
    Jacqui ist der einzige Mensch, der noch nie Antidepressiva genommen hat oder bei einem Therapeuten war; sie glaubt kaum daran, dass es PMS gibt.
    Noch gerade rechtzeitig, bevor Jacqui Muskelkrämpfe kriegte, wegen Mineralmangel, weil sie
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