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Erdbeermond: Roman (German Edition)

Erdbeermond: Roman (German Edition)

Titel: Erdbeermond: Roman (German Edition)
Autoren: Marian Keyes
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nicht möglich – gab ihr das Geld und sah sie nervös an.
    Maggie prüfte die Münze, indem sie draufbiss, dann sagte sie zu mir: »Zehn Prozent für mich, der Rest ist für dich. Gut, zeig sie ihnen.«
    Und ich habe sie ihnen gezeigt – natürlich nicht wegen des Geldes, sondern weil mir klar wurde, dass ich keinen Grund hatte, mich zu schämen. Was mir passiert war, konnte jedem passieren. Danach nannten sie mich immer Frankenstein, aber es war nicht – ich weiß, das klingt seltsam – unfreundlich gemeint.
    Diesmal fiel ihnen auf, dass Mum einige Verbände weggelassen hatte. »Die Wunden verheilen ja.« Sie klangen enttäuscht. »Die auf deiner Stirn sind fast alle weg. Jetzt hast du nur noch eine gute auf deiner Wange. Und du kannst wieder schneller gehen, jetzt bist du fast so schnell wie JJ.«

    Ungefähr anderthalb Stunden lang saßen wir auf der Bank und genossen die frische Luft. Wir machten das seit einigen Wochen, und in der Zeit war das Wetter unirisch trocken gewesen, wenigstens tagsüber. Anscheinend regnete es nur an den Abenden, wenn Helen mit ihrem Teleobjektiv im Gebüsch saß.
    Die kleine Träumerei endete, als Holly zu schreien anfing, und Maggie feststellte, sie müsse gewickelt werden, also machten wir uns auf den Rückweg, wo Maggie versuchte, jedoch erfolglos, Mum und dann Dad dazu zu bringen, Holly zu wickeln. Mich fragte sie nicht. Manchmal ist es toll, einen gebrochenen Arm zu haben.
    Als sie mit Wischtüchern und Windeltasche beschäftigt war, fischte JJ sich einen rostroten Konturenstift aus meinem (sehr großen) Make-up-Beutel, hielt ihn sich ans Gesicht und sagte: »Wie du.«
    »Was meinst du, wie ich?«
    »Wie du«, sagte er wieder, berührte meine Schnittwunden und zeigte dann mit dem Stift auf sein Gesicht.
    Ach so! Er wollte Narben auf sein Gesicht gemalt haben.
    »Aber nur ein paar.« Ich war mir nicht sicher, ob das erlaubt war, deshalb malte ich ihm nur ein paar kleine Schnitte auf die Stirn. »Guck«, sagte ich und hielt ihm den Handspiegel hin. Er gefiel sich so gut, dass er rief: »Mehr!«
    »Nur noch eine.«
    Er sah sich immer wieder im Spiegel an und verlangte immer neue Verletzungen, dann kam Maggie ins Zimmer, und als ich ihren Gesichtsausdruck bemerkte, bekam ich richtig Angst. »Oh Gott, Maggie, es tut mir Leid. Ich konnte nicht mehr aufhören.«
    Doch dann erkannte ich, dass sie nicht böse war, weil JJ wie ein Patchwork-Kissen aussah, sondern sie hatte diesen Flackerblick, weil sie meinen Make-up-Beutel entdeckt hatte. Alle guckten so, aber von ihr hätte ich es nicht erwartet.
    Es ist wirklich komisch – trotz des Schreckens und des Kummers der letzten Zeit hat sich fast jeden Tag einer aus meiner Familie an mein Bett gesetzt und gefragt, ob er sich den Inhalt meines Make-up-Beutels ansehen dürfte. Sie waren alle geblendet von meinem fantastischen Job und gaben sich keine Mühe, ihr Erstaunen zu verbergen, dass ausgerechnet ich den Job bekommen hatte. Maggie kam auf meinen Make-up-Beutel zu, als wandele sie im Schlaf. Ihre Hand war ausgestreckt. »Darf ich mal?«
    »Bitte, gern. Und da drüben auf dem Boden liegt mein Waschbeutel. Da sind auch ein paar gute Sachen drin, wenn Mum und Helen sie nicht alle rausgenommen haben. Nimm, was du möchtest.«
    Wie in Trance nahm Maggie einen Lippstift nach dem anderen aus meinem Kosmetikbeutel. Ich hatte ungefähr sechzehn. Einfach, weil ich das darf.
    »Einige sind noch nicht mal aufgemacht worden«, sagte sie. »Wieso haben Helen und Mum sie noch nicht gestohlen?«
    »Weil sie die schon haben. Bevor … du weißt schon … bevor das alles passiert ist, hatte ich ein Paket mit den neuen Sommerprodukten geschickt. Deswegen haben sie die meisten schon.«
    Zwei Tage nach meiner Ankunft hatten Helen und Mum auf meinem Bett gesessen, waren systematisch durch meine Kosmetika gegangen und hatten fast alles zur Seite gelegt. »Porn Star? Kannst du haben. Multiple Orgasm? Kannst du haben. Dirty Grrrl? Kannst du haben.«
    »Von den neuen Sachen haben sie mir gar nichts erzählt«, sagte Maggie traurig. »Dabei wohne ich doch ganz in der Nähe.«
    »Oh. Vielleicht haben sie gedacht, dass du wegen deines neuen praktischen Looks nicht an Make-up interessiert bist. Es tut mir Leid, aber wenn ich wieder in New York bin, sorge ich dafür, dass die Sachen persönlich an dich geschickt werden.«
    »Wirklich? Danke.« Dann folgte ein scharfer Blick. »Du gehst zurück? Wann? Sei doch vernünftig. Du kannst da nicht wieder hin. Du brauchst
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