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ePub: Der letzte Zauberlehrling

ePub: Der letzte Zauberlehrling

Titel: ePub: Der letzte Zauberlehrling
Autoren: Gerd Ruebenstrunk
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längst verlassen; es gab also keinen Grund für mich, weiter in der Bahnhofshalle auszuharren. Also folgte ich Papillon zu einem der Ausgänge.
    »Wie heißt du?«, fragte er, während wir uns einen Weg durch die Menge bahnten.
    »Humbert«, sagte ich. »Und du heißt wirklich Papillon?«
    Er nickte. »Ich weiß, ich weiß, ein merkwürdiger Name für einen Jungen. Aber meine maman hatte die Hoffnung, der Name würde mich dazu anspornen, ein Dichter oder Künstler zu werden.« Er zwinkerte mir zu. »Was ich irgendwie auch geworden bin.«
    Wir waren nur noch wenige Meter vom Ausgang entfernt, als er sich plötzlich kräftig gegen meine Schulter warf. Ich taumelte mehrere Schritte nach rechts und hatte Mühe, mein Gleichgewicht zu halten. Überrascht drehte ich mich zu meinem Begleiter um, um ihn zur Rede zu stellen, aber er befand sich nicht da, wo ich ihn vermutete. Er lag ein paar Meter weiter auf einem anderen Jungen, der sich heftig gegen ihn zur Wehr setzte.
    »He!«, rief ich und trat zu den beiden Kämpfenden. »Was soll das?« Er hörte mich nicht, so sehr war er in das Gerangel vertieft. Mit einer Hand drückte er seinen Gegner an der Schulter zu Boden, mit der anderen wehrte er dessen Hiebe ab. Es dauerte nur wenige Minuten, dann gab der Fremde auf. Papillon rappelte sich auf und zog ihn an den Armen hoch. Er stieß seinen Gegner gegen einen Pfeiler. Der hob schützend seine Arme vors Gesicht.
    »Kennst du mich?«, keuchte Papillon.
    Sein Gegenüber schüttelte den Kopf. Papillon bohrte ihm seinen Zeigefinger in den Brustkorb.
    »Das solltest du aber, bevor du versuchst, meine Freunde zu bestehlen. Ich bin der Künstler . Jeder in Paris kennt mich. Und jeder weiß, dass man mich in Ruhe lässt. Weil er sonst ganz großen Ärger bekommt.«
    Er zog seinen Finger zurück. Sein Gegner, der merkte, dass Papillon ihn nicht schlagen wollte, ließ seine Arme sinken.
    »Wie heißt du?«, fragte Papillon.
    »Carlos«, erwiderte sein Gegenüber.
    »Und für wen arbeitest du?«
    »Für niemanden.« Carlos blickte Papillon erstaunt an. »Ich arbeite auf eigene Rechnung.«
    Papillon seufzte. »Du bist neu in der Stadt, was?«
    Der Junge nickte.
    »In Paris arbeitet keiner auf eigene Rechnung«, fuhr Papillon fort. »Du gehörst entweder zu einem Clan – oder du schwimmst irgendwann in der Seine. An deiner Stelle würde ich den nächsten Zug dahin zurücknehmen, wo du hergekommen bist.«
    Papillon versetzte Carlos noch einen leichten Stoß gegen die Schulter, dann wandte er sich von ihm ab. »Komm«, forderte er mich auf. »Wir haben schon genug Zeit verloren.«
    »Was war das denn?«, fragte ich ihn, während er sich seine Jacke und Hose abklopfte.
    »Ein Taschendieb«, erklärte er. »Und ein schlechter dazu. Er war gerade dabei, seine Finger in deine rechte Jackentasche zu stecken.«
    Ich musste lachen. Papillon blickte mich fragend an.
    »Dann hätte er eine schöne Überraschung erlebt«, grinste ich und zog Horatio hervor.
    Papillon zog die Augenbrauen hoch, als er den Hamster erblickte. »Bissig?«, fragte er.
    »Fremden Händen gegenüber schon«, bestätigte ich.
    »Schade. Das hätte ich gerne erlebt.« Er sah sich nach dem Taschendieb um, aber Carlos war bereits verschwunden.
    Der Strom der Menschen, die von oder zu den Zügen eilten, war immer noch nicht abgeebbt. Während der Prügelei war auch niemand stehen geblieben; jeder tat so, als sehe er nicht, was sich vor seinen Augen abspielte. Das wäre da, wo ich herkam, undenkbar gewesen.
    Eine Minute später erreichten wir den Ausgang. Rechts und links davon standen zwei uniformierte Polizeibeamte und studierten die Gesichter der Vorbeikommenden. Papillon hob grüßend die Hand und einer der Beamten beantwortete den Gruß mit einem leichten Kopfnicken. Ich musste an die Szene vorhin mit dem Taschendieb denken.
    »Was bist du, so eine Art Polizist?«, fragte ich.
    Er lachte. »Das fehlte noch! Aber es kann nie schaden, sich mit den Hütern des Gesetzes gutzustellen. Du weißt schon, eine Hand wäscht die andere und so.« Ich hatte keine Ahnung, wovon er sprach, nickte aber trotzdem, denn ich wollte nicht als Trottel dastehen. Wir traten auf den Platz vor dem Bahnhof. Hier war es nicht leiser als in der Halle, sondern noch viel lauter. Das lag an den doppelstöckigen Bussen, die mit brummenden Maschinen in langen Reihen auf Fahrgäste warteten. Beinahe im Minutentakt verließ einer von ihnen mit aufheulendem Motor die Bussteige, während von der anderen Seite
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