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Ephraim Kishon fur Manager

Ephraim Kishon fur Manager

Titel: Ephraim Kishon fur Manager
Autoren: Ephraim Kishon
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Erinnerung zurückreichte, hatte er nur ein einziges Mal ein Auto gesteuert. Das war vor vierzig Jahren, in einem Vergnügungspark, wo der Minister -damals noch jung und ehrgeizig - sich einem Autodrom anvertraut hatte. Später war er dann der führenden Partei beigetreten, hatte Karriere gemacht und jederzeit einen Fahrer zur Verfügung gehabt. Jetzt werde ich wohl einen Helikopter bestellen müssen, dachte der Minister. Man erwartete ihn zu einer dringlichen Kabinettsitzung. Auf dem Programm stand die Krise der Zementindustrie. Um elf Uhr.
    Der Minister begann, die Passanten zu beobachten, die an seinem Wagen vorbeihasteten. Ein merkwürdiges, fast abenteuerliches Gefühl überkam ihn: Er war auf der Straße. Mit Verblüffung stellte er fest, wie viele fremde Menschen es im Lande gab. Er kannte nur die immer gleichen Gesichter, die er täglich in seinem Ministerium sah. Fremde bekam er höchstens in anonymen Massen zu Gesicht, am Unabhängigkeitstag oder im Fußballstadion bei... wie hieß doch das Ding... beim Kupferfinale.
    Der Minister stieg aus und ging die Straße entlang. Allmählich wuchs sein Vertrauen in diese Art der Fortbewegung. Er dachte nach, wann er zuletzt etwas dergleichen getan hatte. Richtig: 1951.
    Damals hatte ein Fernlaster seinen Wagen gerammt, und er war zu Fuß nach Hause gegangen, quer durch die Stadt zu Fuß. Die Blicke des Ministers richteten sich abwärts, dorthin, wo unterhalb der Bauchwölbung seine Füße sichtbar wurden, seine eigenen Füße, die sich rhythmisch bewegten, tapp-tapp, tapp-tapp, linker Fuß, rechter Fuß - jawohl, er wußte seine Füße noch zu gebrauchen. Er wußte noch, wie man auf der Straße geht. Ein gutes Gefühl. Nur die Schuhe sahen ein wenig fremdartig aus. Wo kamen sie her? Er hat sich doch noch niemals Schuhe gekauft, oder? Genaueres Nachdenken ergibt, daß er selbst überhaupt keineEinkäufe tätigt. Was ist's mit diesen Schuhen? Er bleibt vor dem Schaufenster stehen und starrt hinein. Seltsam. Ein völlig neuartiges Phänomen. Schuhe, viele Schuhe, Herren-, Damen-und Kinderschuhe, paarweise arrangiert, auf Sockeln, auf langsam rotierenden Drehscheiben oder nur so.
    In plötzlichem Entschluß betritt der Minister den Laden, einen hohen, langgestreckten Raum mit Reihen bequemer Fauteuils und mit Regalen an den Wänden, und in den Regalen Schuhe, nichts als Schuhe. Der Minister schüttelt de Hand eines ihm entgegenkommenden Mames.
    »Zufrieden mit dem Exportgeschäft?« »Mich dürfen Sie nicht fragen«, lautet die Antwort. »Ich suche Sämischlederschuhe mit Gummisohlen.« Der Minister sieht sich um. Wie geht's hier eigentlich zu? Nehmen die Leuteeinfach Schuhe an sich, oder warten sie, bis der Kellner kommt? Eine Gestalt in weißem Kittel, vielleicht ein Arzt, tritt an den Minister heran und fragt ihn, was man für ihn tun könne. »Schicken Sie mir ein paar Muster«, sagt der Minister leutselig und verläßt den Laden.
    Draußen auf der Straße fällt ihm ein, daß er sich nicht zu erkennen gegeben hat. Und daß er nicht von selbst erkannt wurde. Ich muß öfters im Fernsehen auftreten, denkt der Minister. Es wird spät. Vielleicht sollte er in seinem Büro anrufen, damit man ihm irgendein Transportmittel schickt oder ihn abholt. Anrufen. Aber wie ruft man an? Und wenn ja: wo? Er sieht weit und breit kein Telefon. Und sähe er eines, wüßte er's nicht zu handhaben. Das macht ja immer seine Sekretärin, die gerade heute nach Haifa gefahren ist, in irgendeiner Familienangelegenheit. Außerdem wäre sie ja sonst in seinem Büro und nicht hier, wo es kein Telefon gibt.
    Da - ein Glasverschlag - ein schwarzer Kasten darin - kein Zweifel: ein Telefon.
    Der Minister öffnet die Zellentür und hebt den Hörer ab: »Eine Leitung, bitte.«
    Nichts geschieht. Der Apparat scheint gestört zu sein. Von draußen macht ihm ein kleiner Junge anschauliche Zeichen, daß man zuerst etwas in den Kasten werfen muß. Natürlich, jetzt erinnert er sich. Er ist ja Vorsitzender des Parlamentsausschusses für das Münz- und Markenwesen. Er kennt sich aus. Der Minister betritt den nächsten Laden und bittet um eine Telefonmarke. »Das hier ist eine Wäscherei«, wird ihm mitgeteilt. »Telefonmarken bekommen Sie auf dem Postamt.«
    Eine verwirrende Welt fürwahr. Der Minister hält nach einem Postamt Ausschau und erspäht auf der jenseitigen Straßenseite einen roten Kasten an einer Hausmauer. Er weiß sofort, was das ist. In solche Kästen tun die Menschen Briefe hinein, die sie
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